Jagdzeit
immer den Keller. Alle übersahen die rostige Eisentür unten an dem riesigen Kamin und wählten den Maschinenraum, der ihnen aber insgesamt nicht sicher genug erschien, weswegen sie meistens nach hinten zu den Ratten krochen, die den dumpfen, feuchten, mit Sägemehl bedeckten Bereich unter den verrottenden Bodenbrettern der Mühle bevölkerten. Wenn sie ein wenig geschlafen und ihre Kräfte wiedererlangt hatten, entdeckten sie die Ratten, große, hässliche, quietschende Biester. Das trieb sie gewöhnlich hinaus, und in ihrem neuen Entsetzen beschlossen sie, es ungehindert zum Festland und in die Freiheit schaffen zu können.
Ungefähr jetzt, dachte Art. Er guckte auf die Uhr. Genau jetzt. Ein Uhr dreißig. War es erst sechs Stunden her, dass sie halb blind aus dem Bett in das eisige Wasser des Sees getaumelt waren? Es schien viel länger her zu sein.
Er hörte einen leisen Vogelpfiff von der anderen Seite der Mühle. Das musste Greg sein, der ihm seinen Standort mitteilte und damit sagte, dass er einen Moment lang dort verharren würde. Er begab sich hinter ein paar Birken in Deckung und lauschte. Ken hatte den Außenbordmotor abgestellt. Es war sehr still.
Dann hörte er, aus dem Inneren der Mühle, ein ganz schwaches Geräusch, eine Art fernes Kratzen. Etwas bewegte sich; eine Ratte kam aus der verwitterten Seitenwand, wo diese halbverfault über die groben Steine der Grundmauern ragte. Vielleicht war Nancy da unten gestorben, das wäre dann wohl der größte Flop aller Zeiten. Sie würden runtergehen und die Leiche rausholen müssen, mit Ratten und all dem Zeug, und womöglich wäre sie schon halb aufgefressen, wenn sie endlich die Bodenbretter entfernt hätten.
Wieder hörte er das kratzende Geräusch. Nein, das war sie. Und sie kam heraus. Aber was machte dieses Geräusch? Er überlegte, welchen Weg sie aus dem Rattenloch heraus nehmen musste. Es musste die Tür zum Maschinenraum sein. Sie muss sie halb geschlossen haben, als sie vorher hineinging, und jetzt musste sie sie wieder öffnen. Sie tat es vermutlich langsam und vorsichtig, mit angehaltenem Atem, aus Angst gehört zu werden, und das Geräusch der Tür klang in ihren Ohren doppelt so laut, als es in Wirklichkeit war. Für sie musste es klingen, als risse sie das ganze Gebäude ab.
Art grinste und antwortete auf Gregs Pfiff, um ihn seine Position wissen zu lassen. Greg hatte sie wahrscheinlich auch gehört. Wenn nicht, erfuhr er aus der gepfiffenen Antwort, dass er abwarten sollte, weil sich ihre Beute bewegte.
Verdammte Flinte, wie zum Teufel sollten sie damit klarkommen. Wenn sie in Schussweite kam und abdrückte, dann gute Nacht! Alles in Umgebung der Mühle war ein Nahziel.
Auf fünfzig Fuß konnte man mit Vierer-Schrot nichts verfehlen. Auf fünfundzwanzig Fuß konnte man einem Mann den Kopf wegpusten. Zumindest den halben.
Das Kratzen hatte aufgehört. Sie hatte die Tür geöffnet. Art wartete. Er hatte zu schwitzen begonnen. Es war totenstill, und plötzlich ein schwaches Klingen von Metall auf Metall. Wahrscheinlich war sie mit dem Gewehrlauf an eine der Leitersprossen gestoßen. Vermutlich ausgerutscht. Das würde ihr einheizen. Sie würde sich sicher eine Weile nicht bewegen.
Er schaute auf die Uhr. Ein Uhr fünfunddreißig. Eigentlich sollte er sofort in die Mühle hineingehen und sie abknallen, wenn sie gerade aus dem Schacht kletterte. Wenn sie noch auf der Leiter stand und nicht zurückschießen konnte. Nur sagen: „Hallo Kleines, wie war dein Schönheitsschlaf?“, und losballern. Würde sie versuchen, um ihr Leben zu rennen? Zurück hinunter in den Schacht? Oder bloß zusammenbrechen und betteln? Bei Frauen wusste man nie.
Aber in die Mühle zu gehen war gefährlich. Er konnte womöglich in die Enge getrieben werden. Vielleicht war sie doch ein Flintenweib wie Annie Oakley. Es war besser, draußen zu warten.
Also wartete er. Jetzt wäre sie ohnehin schon aus dem Schacht raus. Wahrscheinlich bewegte sie sich jetzt an der dunklen Seite im Mühleninneren, wo die ganze Maschinerie war, und lauschte. Sie würde sich in Sicherheit wähnen und bei der langen, leicht abwärts führenden Erdrampe herauskommen, wo früher die frisch gesägten Planken zu der Steinmauer geschoben wurden, von der es sechs Fuß bis zu den darunter wartenden Ochsenschlitten waren. Er, Greg und Ken hatten das große Doppeltor von dort entfernt und seine Bretter waren jetzt Teil der Hüttenveranda und fast die ganze Küchendecke.
Er pfiff wieder, zweimal.
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