Jagdzeit
wäre natürlich nur eine Formalität. Nicht mehr. Art würde nicht lange auf diesem Posten bleiben. Denn inzwischen sollte seine Wunde für ein leichtes Fieber gesorgt haben, und er würde nicht viel Geduld für militärische Formalitäten haben. Nach kurzem Warten würde er ebenfalls zum Steilufer hinaufgehen. Er würde dafür länger brauchen als Ken, mindestens dreißig Minuten. Da oben würden sich beide sicher fühlen und eine Stunde dort verbringen. Er hatte also alle Zeit der Welt.
Am Fuße des Schornsteins, schloss er vorsichtig die rostige Kamintür und verwischte seine Fußspuren im moosigen Sägemehl. Er ging hinauf in die Mühle und pausierte unter dem verrosteten Triebwerk, um sich umzusehen. Niemand da. Ken und Art hatten die Mühle nicht im Verdacht und dort keine Falle gestellt. Nicht weit entfernt an der Nordseite war eine Türöffnung mit den Resten einer Tür, halb geöffnet. Er hielt sich im Hintergrund, sodass er nicht gesehen werden konnte und entdeckte Art fast sofort. Er stand, wie er vermutet hatte, bei derselben Buche, die Greg vor Nancy geschützt hatte, und beobachtete die Mühle ohne wirkliche Aufmerksamkeit oder Vorsicht.
Er wandte sich rückwärts zur Südseite der Mühle, kletterte durch einen Spalt in der Bretterwand hinaus und beschleunigte Richtung Gebüsch. Er ging leise, aber gab sich nicht die Mühe, sich zu bücken. Ken würde auf das Steilufer schauen, mit dem Rücken zu ihm, und die Mühle würde ihn vor Art verbergen.
Er kam zur Hütte, drückte die Klinke der Eingangstür. Sie war offen. Er trat ein, schloss die Tür hinter sich und schloss ab, für alle Fälle. In der Küche machte er eine Flamme an und setzte Kaffee auf.
Dreißig Minuten später hatte er geduscht, sich frisch rasiert, und hatte es sich im Wohnzimmer der Hütte gemütlich gemacht, schlürfte Kaffee und aß gebratenen Tiefkühlschinken und Rührei.
Einoder zweimal ging er in die Küche und richtete sein Gewehr und Zielfernrohr auf das Steilufer. Gelegentlich bemerkte er eine Bewegung, nichts worauf er schießen konnte, sie hielten sich zu tief, aber immerhin Bewegung. Er musste wissen, wann sie schließlich das Steilufer verließen. Denn wenn sie aufbrachen, musste er rasch handeln. Er würde eine ziemliche Strecke zurücklegen müssen, bevor sie unten ankamen.
21
Als sie oben beim Steilufer angekommen waren, war Arts Arm ein einziger Quell rasender Schmerzen, und seine Augen glänzten vor Fieber. Ken wusste, dass sie ihren Mann schnell finden, töten und Art zum Arzt bringen mussten. Das Penicillin hatte überhaupt nicht gewirkt.
Sie krochen zwischen den Steinen und Felsblöcken herum, die den Abbruch des Steilufers säumten, und ließen sich an einer Stelle nieder, wo sie, wenn sie sich niedrig hielten, unten vom Wald aus nicht gesehen werden konnten. Sie ruhten sich aus und kamen wieder zu Atem. Art nahm seine Medizintasche heraus und genehmigte sich ein paar Schmerztabletten. Er spülte mit einem satten Schluck Bourbon nach und reichte Ken die Feldflasche.
Ken schüttelte den Kopf. „Du solltest mit dem Zeug vorsichtig sein.“ In der Hütte hatte Art einen halben Becher geleert.
Streitsüchtig antwortete er jetzt: „Vielleicht wirkt es ja bei dir anders als bei mir.“ Aber er steckte die Flasche trotzdem weg.
Ken fing an, den Boden abzusuchen. „Machen wir weiter“, sagte er. Art folgte ergeben. Diesen Morgen hatten sie einen wütenden Wortwechsel gehabt. Art war dagegen gewesen, zum Steilufer zu gehen. Ken hatte dafür plädiert. „Wir müssen etwas finden“, hatte er gesagt.
„Was denn zum Beispiel?“
„Eine Visitenkarte mit seinem Namen und seiner Adresse in Gold geprägt. Wie, verdammt noch mal, soll ich das wissen?“ In Wirklichkeit war er sich selbst nicht sicher, was er erwartete. Vielleicht hatte er nur auf einen handfesten Beweis dafür gehofft, dass ihr Heckenschütze ein Mensch wie sie selbst war, mit ebensolchen menschlichen Schwächen. Auch bestand die — wenn auch unwahrscheinliche — Chance, von solch einem hohen Aussichtspunkt aus vielleicht ihren Mann zu entdecken. Aus diesem Grund hatten sie einen Feldstecher mitgebracht.
Aber zuerst hoben sie vorsichtig Blätter auf; ihre Finger betasteten trockenes Gras; sie lugten in Felsspalten. Es war Art, der den Zigarettenstummel fand. Er hielt ihn hoch. „Guck dir das an.“ Der Markenname stand in Kursivbuchstaben auf dem Ende, um die Zigarette zu kennzeichnen, um zu sagen, dass ihr Rauch besser sei und nicht zu
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