Jagdzeit
bisher. Ein in die Enge getriebenes Tier war wachsam und unberechenbar und bereit, Risiken einzugehen, die es normalerweise vermeiden würde.
Das letzte Drittel der Arbeit, dachte Wolkowski, wird doppelt so schwer wie die ersten beiden.
Er zog sich ein wenig ins Gebüsch zurück und scharrte trockenes Laub um sich zusammen. Es war kalt; bis zur Abenddämmerung musste er noch lange warten. Er blickte auf seine Armbanduhr; es war fünf vor halb zwölf. Er stellte den Wecker auf fünf nach halb zwölf. Zehn Minuten. Er schloss die Augen. So konnte er den ganzen Tag schlafen, im Zehn-Minuten-Takt, zehn Minuten Schlaf, zehn Minuten den See beobachten, um sicher zu sein, dass Ken nicht in einem eins-zu-eine-Million-Anfall von Blödheit herüberkam.
Noch mehr Gedanken rumorten in seinem Kopf. Er hatte noch so viel zu tun und nach dem Grau des Himmels zu schließen, nur noch wenig Zeit dafür. Da war Art, dessen Spuren beseitigt und dessen Leiche entsorgt werden musste. Und Greg. Und schließlich Ken. Er war müde, weitaus müder, als er zu diesem Zeitpunkt sein sollte. Er hatte den Erschöpfungsfaktor unterschätzt, eine gefährliche Fehlkalkulation. Er sollte eigentlich genau jetzt auf der Insel sein und Ken jagen, um es hinter sich zu bringen. Aber das Unerwartete war geschehen. Art war abgehauen. Na, wenigstens hatte er Arts Absicht erraten und war vorbereitet gewesen.
Mit diesen Gedanken schlief er ein.
23
In dem Augenblick, da er den Schuss auf dem Festland hörte, wusste Ken, was passiert war. Das tiefe Geräusch und die Wucht des Schusses verrieten ihm, dass es nicht Arts Gewehr war. Er begriff, dass Art ihn verraten hatte und dass sein Feind Arts Vorhaben vorausgeahnt hatte. Und er wusste, dass Art tot war. Ihr Jäger hatte im Bezug auf Art einmal versagt. Das würde er nicht noch einmal tun. Nicht ein Mann, der Greg auf eine Entfernung von dreihundert Yards die Stirn durchlöchern konnte. Der war eiskalt und ein hervorragender Schütze. Und dass er dorthin gelangt war, ohne von einem von ihnen bemerkt zu werden, dass er sowohl ihm als auch Art zuvorgekommen war, als sie am wachsamsten gewesen waren, das bedeutete, dass er auch im Wald die größte Geschicklichkeit und Erfahrung besaß.
Ken stand in einem Tannenhain am Fuß des Steilufers, er spürte ein Prickeln am Ende seines Rückgrats und Gänsehaut kroch ihm Arme und Beine hinauf. Wie lange hatte sich dieser Bastard eigentlich schon in der Gegend herumgetrieben? War er letztes Jahr hergekommen, um das Gelände zu erkunden? Ein kaltblütiger Spürhund? Denn jetzt war es offensichtlich, dass er mit diabolischer Methodik jagte. Als hätte er jeden Schritt geprobt. Vor zwei Nächten, als sie Nancy fickten, hatte er sie da belauscht, darauf gewartet, dass sie fertig wurden, damit er am nächsten Tag mit dem Töten anfangen konnte? Es gab nur eine sichere Antwort: Ja. Und es gab nur eine Antwort auf die Frage, warum er weder Martin noch später Nancy gerettet hatte. Er wollte keine Zeugen. Mit entsetzlicher Unerbittlichkeit hatte er gewartet. Darauf gewartet, dass sie mit dem Ficken fertig waren, darauf gewartet, dass sie Martin töteten, darauf gewartet, dass Nancy starb. Dann war der Weg für ihn frei gewesen, und er hatte begonnen, seinen eigenen Plan umzusetzen. Zuerst Greg, dann Art, berechnend, zielgerichtet, wie eine gottverdammte Maschine.
Und jetzt er, Ken, Nächster und Letzter. Dann plante der Schweinehund, wer immer es war, sauberzumachen, jede einzelne Spur von dem, was er getan hatte, zu verwischen und zu verschwinden. Helen, Pat und Sue würden zur Polizei gehen, wenn ihre Männer nicht nach Hause kamen, und die Polizei würde mit Hubschraubern kommen, mit den Forstleuten, mit Hunden und später mit den Forensikern und sie würden das Unterste zuoberst kehren.
Aber bis dahin würde es geschneit haben. Das Einzige, was sie jemals finden mochten, waren einige übrig gebliebene Spuren von einer Frau in der Hütte. Keine verräterischen Zigarettenstummel, keine leeren Patronenhülsen, kein Blut, keine Kette und kein Fußeisen, kein Zweig oder Grashalm woanders, als sie hingehörten. Die Schlauchboote würden um ihre schweren Motoren gewickelt und zusammengebunden im Moor versenkt worden sein, zusammen mit etwaigen verbliebenen Leichen, seine inbegriffen, im tiefen Schlamm versunken, wie alles andere, was jemals dort hineingeworfen wurde, unerreichbar für jeden Haken oder Messstab, den irgendein neugieriger Polizist eines schönen Tages
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