Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
Vom Netzwerk:
wenige Yards dahinter begann der Ochsenpfad. Er konnte nicht rennen, aber er hatte sich eine Gangart zugelegt, die halb aus Hüpfen, halb aus Schnellgehen bestand. Es funktionierte, der Strand flog unter ihm dahin, und trotz seiner Nacktheit wurde ihm wärmer und er fing an zu frohlocken. Weiter, weiter, weiter. Ochsenpfad, ankleiden und Füße trocknen. Dann runter zu den Eisenbahngleisen. Eine Nacht im Wald wird dich nicht umbringen. Du wirst nicht an Blutvergiftung sterben, bevor du einen Arzt findest. Überleg dir später, was du wegen Geld und einem Dach über dem Kopf unternehmen willst. Irgendwas wird sich schon finden. Das gute Leben. Kanada und Südamerika, wo er er selbst sein konnte und nicht mehr eine Rolle spielen musste. Wo es keine Pat mehr geben würde. Er konnte tun, wozu auch immer er Lust hatte. Nur jetzt weiter, weiter, weiter!
    Er erreichte den Bach. Hier war Martin krepiert, der blöde kleine Wichser, weil ihm nicht in den Sinn gekommen war, dass jemand auf ihn warten könnte. Martin war durch das Wasser gepflügt und hatte gehört, wie jemand seinen Namen rief, war herumgewirbelt und die ersten beiden Kugeln hatten ihm buchstäblich das halbe Gesicht weggeknallt, und die nächsten beiden hatten sein Herz und seine Lungen in tausend Stücke gerissen. War nicht schlau genug gewesen, Martin, noch ein paar hundert Yards auf Nummer sicher zu gehen. Und musste deswegen sterben.
    Springend, hüpfend und sein lädiertes Bein schwingend, planschte Art auf das gegenüberliegende Ufer zu.
    „Art!“
    Es klang scharf und laut.
    Noch einen halben Schritt weiter. Er drehte sich unwillkürlich um. Eine Sekunde, zwei. Totale Verzweiflung.
    Wie angewurzelt stand er in dem Bach. Konnte sich weder bewegen noch sprechen.
    Jemand, den er gut kannte, ein kräftiger, dunkelhaariger Mann in Jagdkleidung trat hinter einem Felsblock hervor. Derselbe Fels, von dem aus er selbst Martin erschossen hatte. Der Mann hielt ein Holland & Holland 7 Millimeter Magnum-Doppellaufgewehr in Hüfthöhe und zielte.
    „Endstation, Art“, sagte er und lächelte. Seine Augen waren von dunklem, unbeweglichem Grau.
    Da war sein Lächeln, sein derbes Gesicht, seine Augen, das Gewehr, der Wald hinter ihm, das glucksende Wasser um seine Füße, ein Bild, umrahmt von der Intensität dieses starren Blicks und seiner totalen Überraschung über die Identität seines Gegenübers.
    Dann nichts.
    Paul Wolkowskis Schuss traf Art am Hals, direkt unter dem Kinn, leicht schräg nach oben, bohrte sich die Kugel durch die Schädelbasis und zerschmetterte deren unteren Teil, zusammen mit den beiden obersten Wirbeln seines Rückgrats.
    Art wurde buchstäblich aus dem Wasser geschleudert und klatschte mit dem Rücken auf das Ufer, das er fast erreicht hatte.
    Wolkowskis Finger am Abzug entspannte sich. Er steckte die beiden anderen Patronen wieder ein, die er so fachmännisch zwischen dem ersten und zweiten und dem zweiten und dritten Finger der linken Hand gehalten hatte, die Patronen, die er so schnell laden konnte, wie andere Männer einen Vorderschaftoder Repetierstutzen nachladen. Er brauchte nicht nachzuladen. Ein Schuss hatte genügt. Es gab schon genug Schweinerei wegzuräumen. Arts Kopf war im Unkraut gelandet, überall auf dem Boden war Blut, Hirnmasse war auf zwei Baumstämmen verspritzt. Und das Wetter war kalt; es war fast schon Winter, keine Käfer und Fliegen mehr, um alles sauber zu putzen. Er hatte sich selbst eine halbe Stunde nicht eingeplanter Arbeit eingehandelt. Er fluchte über diese Ironie. Einer der Gründe hierherzukommen, war der gewesen, sich eben diese Mühe zu ersparen.
    Er packte eines von Arts Beinen und zog ihn daran zurück in den Bach. So war es besser. Das Blut aus dem Kopf würde ins Wasser rinnen und die Kälte würde helfen, die Wunde zu schließen. Arts Augen waren geöffnet, ihr Ausdruck kindlich, als hätte er versucht, etwas zu verstehen. Wolkowski drückte das Gesicht mit dem Fuß unter Wasser und legte einen schweren Stein darauf, um es unten zu halten. Die Augen starrten weiter durch das Wasser herauf. Dann dachte er an Ken. Ken hatte den Schuss sicher gehört und würde womöglich zum Westufer der Insel kommen, um nachzusehen. Wenn er ein Fernglas bei sich hatte, könnte das gefährlich werden. Er hievte einen anderen schweren Stein hoch, ließ ihn auf Arts Magen fallen, und die Leiche bewegte sich in der Strömung und war von einer gewissen Entfernung aus nicht mehr sichtbar.
    Er hob Arts Gewehr auf, Arts

Weitere Kostenlose Bücher