Jage zwei Tiger
netten Licht bunter Lampionketten, atmete durch, kratzte sich an der Stirn und ging auf die Tür zu. Sie bot dem telefonierenden Typen mit einer aus Vierziger-Jahre-Musicals übernommenen Geste Feuer an. Sie fragte sich, ob Rita Hayworth noch lebte, und wenn ja, ob sie sie vielleicht mal besuchen könnte. Dann stellte sie sich vor dem Türsteher auf, drückte ihr Kreuz durch und dachte fieberhaft an eine Grundsouveränität, mit der ihre Mutter früher in einen Laden gehen und nur mit ihrem guten Aussehen bezahlen konnte. Sie lächelte ihn an, und er machte ihr die Tür auf. Der Mann hinter ihr rannte einfach mit ihr rein, rempelte sie beim Überholen an und murmelte, ohne sich noch mal zu ihr umzudrehen, eine Entschuldigung. Dann lief sie in konstantem Tempo durch einen leeren Restaurantbereich, in dem inzwischen nur noch verwüstete Tische standen, auf die Terrasse hinaus. Der mythische Ruf. Die Stimmen der Menschen, die sich von der Sekunde, in der sie die Glastür zur Terrasse aufmachte, auf die Sekunde, in der sie sie hinter sich schloss, um ein Tausendfaches verstärkten. Sie ließ ihren Blick durch die Masse leicht vulgärer Erwachsener schweifen und wurde von einer Art selbstschützender Arroganz erfasst, die ihr in Neonbuchstaben zuzuschreien schien, dass all diese Leute weniger vom Leben verstanden als sie selbst, was, wie sie wusste, großer Quatsch war. Mit Polstern überzogene Rattanmöbel, über Stehtischen hingen Tischdecken, alle hatten ihr Gewicht auf nur eins ihrer Beine verlagert, arrivierter Künstlertreff, und nach acht Minuten erkannte Cecile Irina. Sie hatte eine wasserstoffblonde Ponyfrisur, stand schräg gegenüber am hinteren Ende der Bar und redete mit einigen Frauuen, die Julia als » Ü40 , arty, I have no lover in my life, because I am too much myself«-Clique bezeichnet hätte. Sie war weniger tussig, als Cecile vermutet hatte, sondern wirkte, als hätte sie als Kind Fußball gespielt, als Teenager Terroristin sein wollen und sich mit Anfang dreißig zufällig in einen reichen Finanzheini verliebt, der im Laufe der Ehe genug Geld gemacht hatte, um die halben Seychellen aufzukaufen. Im Großen und Ganzen stimmte das. Cecile näherte sich den Frauuen und vernahm Bruchstücke dessen, worüber sie redeten und was Irina so langweilte. Bikramyoga, Picknickkörbe aus Bast, die Art Basel. Und zu guter Letzt beschwerte sich eine von ihnen den Tränen nahe darüber, dass sie vorige Woche, von der neuen Frauu des Chefredakteurs eines Lifestylemagazins, diskreditierenderweise mit »Hallo Zicko« begrüßt worden war, im Vorbeigehen, ausgerechnet während sie sich gerade mit einer ehemaligen DÖF -Sängerin über deren Ferienhaus in Los Angeles unterhalten hatte. Während sie das erzählte, verkrampfte sich ihr Gesicht so sehr, dass Cecile befürchtete, sie werde gleich einen Tourette-Anfall kriegen oder jemandem die Fresse polieren. Stattdessen bestellte sie ein Glas Primitivo. Und wunderte sich in ihrem mit Seepferdchen bedruckten Makrameeseidenkleid darüber, dass der teurer war als Prestige.
Cecile fand diese Ansammlung so flach und doof und verstand nicht, weshalb sich die meisten Leute so gerne einem derart begrenzten und dümmlichen Habitus verschrieben. Sich ausruhen, in einer schwerfälligen und reizlosen Leichtigkeit, eben ähnlich wie der meschugge Kommentar ihrer Mutter auf Ceciles in grauer Vorzeit am Telefon rhetorisch gestellte Frauge: »Ist man verpflichtet, die scheiß Royal Wedding zu gucken? Geh ich recht in der Annahme, dass die einfach nur das wichtigste Vehikel sind, um den Menschen dieser Welt die Lüge zu vermitteln, sie meinten alle dasselbe, wenn sie von Liebe sprechen?«
Gloria hatte geantwortet: »Natürlich muss man die Royal Wedding anschauen. Was Größeres gibt es nicht. Und ob das mit Liebe zu tun hat oder nicht, ist völlig egal.«
Woraufhin Cecile beinahe gekotzt hätte, was ihr inzwischen jedoch irgendwie leidtat. Um es kurz zu halten, Szenen, Allianzen und Gruppierungen im Allgemeinen hielt sie für schlecht. Sie hatte unter gar keinen Umständen vor, da mitzumachen. Sie blieb freundlich, steril und opak. Gleichzeitig realisierte sie, dass ihr die Atmosphäre vage vertraut war und guttat. Und dass die Gäste, ohne dass sie das Mädchen hätten erkennen oder einordnen können, auf ihre Ankunft gewartet hatten. Sie warteten darauf, endlich mal wieder beim Tanzen von der Bar stürzen und sich beide Beine brechen zu können. Sie warteten auf Cecile und die
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