Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Korrespondent der New York Times schilderte nicht nur die Suchaktion unter Führung des detective Thomas Shean, sondern auch den Lee, »which provides a scene of romantic beauty«.) In Limerick hatten wir den dritten Vormittag frei, und D. E. fuhr uns zu einem Ort namens Kilkee, der um einen grünen Hafenbeutel Atlantik herumgebaut ist, und doch waren wir früh genug auf dem Flughafen Shannon, daß er beim Mittagessen Zeit hatte für seine zwei Flaschen Wein und ein Gespräch mit einem Zollbeamten über die Aussichten für einen Dritten Weltkrieg (der Mann hätte gern gewettet). Dann stiegen wir in die Luft, und die Maschine war tatsächlich eine D. C.-8, und außer uns waren nur fünf Passagiere an Bord, so hätte ein Absturz ja nicht sich gelohnt, und neun Stunden später waren wir zu Hause. Marie gefällt seine Art, für andere zu sorgen. Ein Anderer, und mögen ihm noch die unausgesprochenen Wünsche erfüllt werden mit solchen Tricks, würde doch lieber zusehen dürfen wie es gemacht wird.
In Richmond in der Hauptpost verlangte ich ein Formular für ein Auslandstelegramm und setzte mich an einen der Tische zur George Street hin und wußte dann keine Nachricht aufzuschreiben und keinen Empfänger dafür. D. E. nimmt solche Zwischenfälle lediglich wahr. Es ist ein einziger Blick, kaum spürbar, weil er sich gleich in eine gelassene, versonnene Haltung abgewandt hat. Jedoch will er dann verstecken, daß er betrübt ist. In solchen Momenten sieht er in mir nicht die Person, mit der er leben will, sondern eine, die womöglich bedroht ist vom Verrücktwerden. Und will mit mir leben.
Schreib es doch, Gesine.
Mijnheer Hendrik Cresspahl, Amsterdam 1925?
Schreib es doch.
Dann gäbe es einen Beweis gegen mich, D. E.
Vor Beweisen werde ich dich schützen.
Es ist nicht sein Wille, den er durchsetzt; es ist, was ich ausgesprochen habe. Wir leben zusammen, jeder an seinem Ort, und wiederum hat er es verwandelt in ein Arrangement, in dem mehr durchschlägt von seinem Bedürfnis nach perfekten Lösungen als von meinem Mißtrauen vor der endgültigen Regelung: das als locker Geplante ist fest geworden, und er wäre obendrein imstande, mir das Gegenteil vor Augen zu führen. Allerdings macht er Vorschläge. Ein Vorschlag war der Ausflug nach Kilkee, jenem Hufeisen aus meist ebenerdigen Häusern mit eher ländlichen Fassaden um einen Fleck gefangenen Meeres, mit ein zwei Saisonhotels, ein niedriges Dorf in der Nachbarschaft des immerwährenden Windes, Europa im Rücken, im Gesicht den Atlantik bis zur Küste Amerikas. Im westlichen Ende des Hufeisens, in der Marine Parade, stand ein Haus leer hinter seinem bürgerlichen Aufgang, proper gebaute Wände um fünf Zimmer herum, gegen die volle Gewalt der Stürme geschützt durch die Duggerna-Felsen. Für D. E. war es möglich. Er konnte es nicht nur bezahlen, ihm würde es gelingen, das Haus bis zum nächsten Jahr zu verwandeln in ein System von Maschinen, die die Bewohner rundum bedienen; bei unserem Einzug hätten zumindest die Handwerker im Ort freundlich von uns gesprochen. Zum Flughafen Shannon wäre es eine dreiviertel Stunde gewesen, da hätte ich einmal in acht Wochen gewartet, eine Ehefrau, zu der der Mann von der Arbeit kommt. Marie hätte sich an eine Schule in Limerick gewöhnt. Der Ort ist still im Herbst, im Winter, im Frühjahr; da wohnen noch nicht einmal anderthalb Tausend Leute. Von der Badestelle New-found-out, einer grasigen Stelle, von der aus man 14 Meter tief ins Meer hinunterspringen kann, zieht ein Weg über die Felsen, vorbei an der Bucht, in der im Januar 1836 die »Intrinsic« Bruch machte, zum Berg Look-Out, 61 Meter über dem Meere. Da würden die Jahreszeiten mich wieder die Veränderungen der Wasserfarben lehren. Im Winter wären die Nächte sehr hoch und schwarz. Vom nächtlichen Spaziergang, durchgefroren käme ich zurück wie in Cresspahls Haus. Die Städte wären sehr weit; fast die Welt. Das glaubt D. E.: ich brauche ein eigenes Haus. Er sprach die Frage nicht aus: wir hatten vor dem Weiterfliegen einen letzten Ausflug unternommen. Sicherlich hat er aufbewahrt, wie die Immobilienmakler heißen im County Clare in Irland, und über welche Telefonlinien er mit ihnen sprechen kann; vielleicht wartet er noch.
So (und ich müßte nur versprechen es sei mein Wunsch) würde er uns am Riverside Drive eine Wohnung von acht Zimmern finden, und zwar auf der Seite des Hudson und nämlich in den oberen Stockwerken, und dafür bezahlen, notfalls mit
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