Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
B. D. M.-Mädchens, das gedankenlos seiner Liste gefolgt sei, aber die Tüte stand schon mit Gries gefüllt bereit. Das Pflichtjahrmädchen konnte Frau Jansen nicht sagen, wo Cresspahl war. Cresspahl war bei Koepcke, Bauunternehmung, und am Nachmittag kamen die ersten Lastwagen mit Arbeitern, die die Scheune gänzlich eintrümmerten und die ersten Fuhren Schutt wegbrachten.
Am Mittwoch stellte Richard Maaß einen Globus ins Fenster. Er vermerkte auf einem Zettel, daß auf der Weltkugel schon die neuen deutschen Grenzen eingedruckt waren. Es war ein Muster, zur Enttäuschung der Kunden, aber Maaß kam auf einundzwanzig Bestellungen.
Hauptlehrer Stoffregen lieh sich das Muster für eine Schulstunde aus. Auf Cresspahls Grundstück wurde Schutt abgefahren. Das Kind war nicht im Papenbrockschen Haus, und offenbar war deren Dienstmädchen streng gegen Schwatzen verwarnt worden. Es war aus Edith nicht herauszukriegen, warum die Gesine bei ihrem Vater gehalten wurde, statt bei der Großmutter. Inzwischen blieben mehr Leute als gewöhnlich stehen vor der Anschlagtafel der Kirchgemeinde, aber es war immer noch nicht angekündigt, ob Brüshaver zur Sonntagspredigt zurück sein würde. Der älteste Sohn Brüshavers war nicht zur Schule gekommen.
Am Donnerstag waren viele Jerichower nach Gneez gefahren. Stoffregen hatte anderthalb Eisenbahnwaggons für die Schule bestellt. In Gneez wurden neue Rekruten vereidigt. Jerichow hatte beim Einzug der Luftwaffe alle Abordnungen gehabt, die auch in Gneez auftraten, bis auf die N. S.-Jägerkameradschaft. Es hieß allgemein, die Feier in Jerichow sei mehr erhebend gewesen. Es wurde auch gesagt, es sei Brüshavers Schuld, wenn der jerichower Feier etwas abgegangen war. In Gneez läuteten die Kirchen vor der Vereidigung. Da waren ein evangelischer und ein katholischer Heerespfarrer, die auf die Bedeutung des Fahneneides eigens hinwiesen. Dann wurde gesungen »Wir treten zum Beten«. Das Siegheil hatte auf dem jerichower Marktplatz pünktlicher eingesetzt, und zu Hause sei das Echo besser gewesen. Am Abend war Cresspahls Werkstatthaus bis in die Erde abgetragen.
Am Freitagmorgen zogen zwei von Zelcksche Gespanne an und begannen die Stelle umzupflügen, an der die Scheune gestanden hatte. Cresspahl und Paap setzten Zaunpfähle entlang einer Linie, an der die Ostwand gewesen war. Wenn man die Linie weiterdachte, schnitt sie ein Drittel des Gartens ab. Es sah aus, als ob Cresspahl den Streifen Land verkaufen oder verpachten wolle. Am späten Nachmittag war das verkohlte Holz vom Hof, und die Gespanne rissen den Hof tief auf. Dann kam Koepcke mit seiner Motorwalze und machte aus den frischen Furchen auf dem Hof eine saubere, plane Fläche.
Am Sonnabendmorgen lud die Luftwaffe zu einer Weihnachtsschau. Es war kaputtes Spielzeug, jetzt in Ordnung gebracht und für die Kinder bedürftiger Volksgenossen bestimmt. Gneez mochte Wehrmacht haben; Jerichow konnte stolz sein auf Luftwaffe. Schon der Hoheitsadler hatte einen ganz anderen Schick als der gewöhnliche, mit den breiteren Flügeln und dem vorgereckten Kopf. Noch auf einer Kranzschleife nahm sich das elegant aus. Eine solche Kranzschleife war von dem Cresspahlschen Grab gestohlen. Hauptlehrer Stoffregen überraschte drei Jungen, die in der Schulpause über einen Weiterverkauf verhandelten, und zwang sie, das Stück Stoff mit einer Entschuldigung an Cresspahl zurückzugeben. Sie kamen zurück und berichteten, daß Alwin Paap sie nicht auf den Hof gelassen hatte und Cresspahl nicht da gewesen sei.
Wer am Nachmittag Jerichow 209 anrief, kam immer nur an Alwin Paap. Der ließ sich nicht ausfragen, der wurde unfreundlich vor Sachlichkeit, mit dem hatte Cresspahl etwas angestellt. Dann mußte noch der Montagmorgen abgewartet werden. Aber es kam keines von den Pflichtjahrmädchen zum Einkaufen. Die waren beide mit ihren Koffern abgefahren. Hatte Paap denn kochen gelernt? Er hatte sich bei den Creutzens in Kost gegeben. Er ging nicht zu ihnen, das Essen wurde ihm auf den Hof gebracht, so daß er ihn nicht verlassen mußte. Papenbrock wollte am Telefon auf eine tückische Art wissen, wozu Einer ihn nach Cresspahl frage. Koepcke hatte zwar mit Cresspahl eine Bezahlung erst zum 31. Dezember ausgemacht, aber es war doch ängstlich, den Mann aus der Stadt zu wissen. Koepcke mochte Papenbrock nicht sagen, daß er an der Zahlungsmoral seines Schwiegersohns zweifle, und sprach nicht weiter. Mit Papenbrock wollte es keiner verderben.
Es war also nur
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