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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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ausländischen Guthaben nicht angemeldet hatte. Das hatte Cresspahl nun seit dreieinhalb Jahren versäumt, und ein Gericht hätte ihm beweisen können: mit Absicht.
    – Was geht es den Staat an, wo ich mein Geld habe.
    – Ja, du Amerikanerin. Der Staat war aber in der Hand von Ganoven, und ihnen lag daran, die Devisen ihrer Untertanen in die eigene Tasche zu kriegen. Entschuldige: Ein solches Gesetz mit zehn Jahren Zuchthaus war schon 1931 erlassen.
    – War dein Vater nicht vorsichtig?
    – Wohl nahm er sich vor den Gesetzen in acht. Aber warum sollte er diesem gehorchen, wenn nur Dr. Salomon und die Surrey Bank of Richmond von einem Rest seines englischen Kontos wußten? Und Ende 1938 hätte es leer sein müssen von den monatlichen Zahlungen an Mrs. Elizabeth Trowbridge. Die wollte ihr Kind aber großziehen ohne die Hilfe von einem, der dann eine andere geheiratet hatte, und schickte die Überweisungen pünktlich zurück, bis Salomon es aufgab.
    – Und nach Deutschland schrieb.
    – Dr. Salomon gab nicht die Geheimnisse von Klienten auf die Post, erst recht nicht auf die deutsche. Es gab in London inzwischen genug Flüchtlinge, die ihn hätten warnen können. Und Salomon konnte es gleichgültig sein, was sie in Deutschland für Gesetze hatten. Auf die englischen achtete er.
    – Mr. Smith hat Cresspahl verraten? das glaube ich nicht.
    – Und Perceval war es auch nicht. T. P. hatte so weit weg wollen von Richmond und der Erinnerung an Mrs. Cresspahl, es mußte gleich die Royal Navy sein. Es war Gosling.
    – Deswegen »Gosling der Patriot«.
    – Gosling konnte es nicht verwinden, daß der Deutsche ohne Erlaubnis und aus freien Stücken aufgehört hatte, für ihn Reggie Pascals Werkstatt zu verwalten, nicht eben wie einen Goldesel, aber doch so, daß Reggies Neffe leben konnte wie ein Edelmann. Gosling hatte Mrs. Trowbridge doch gefunden bei Bristol, er hatte das Kind nicht übersehen. Er konnte nur vermuten, daß Cresspahl für das Kind zahlte, daß es seins war; er zeigte ihn einfach ins Blaue hinein an, wer weiß weswegen. Er wünschte sich, daß zumindest das Geld des Deutschen an den englischen Staat fiel, und womöglich fiel eine noble Belohnung für ihn dabei ab.
    – Und wurde als verrückt nach Hause geschickt.
    – Ja. Und bekam wenige Wochen später Besuch von der Regierung, der er hatte helfen wollen. Die Regierung war dargestellt von zwei finsteren Herren, von denen einer leise schnüffelte, als rieche es in Goslings Gegenwart nicht gut. Als sie gingen, war Albert A. Gosling, Esq., auf das ängstlichste entschlossen, die Sache mit dem Deutschen zu vergessen, und insbesondere das Geld, und mit einem heiligen Schwur das Geld.
    – Also konnten die Briten ihren Mann Cresspahl in Jerichow erpressen.
    – Und es war ihm recht.
    – Na, darüber möchte ich mal nicht einen Aufsatz schreiben müssen.
    – Es ist ganz einfach, Marie. Solange sie glauben konnten, sie hätten ihn an einem Strick um den Hals mit den zehn Jahren Zuchthaus, wußten sie nicht, warum er in Wahrheit für sie etwas tun wollte.
    – Er traute ihnen nicht. Es waren Erpresser.
    – Und er hätte ihnen nicht eröffnet, daß er eine Rechnung mit den Nazis hatte. Darauf stand seine Frau, Voss in Rande (den er nicht einmal gekannt hatte), Brüshaver, der Krieg.
    – Es war doch noch nicht Krieg, Gesine.
    – Solange der Krieg nicht angefangen war von den Nazis, war Cresspahl unbehaglich, gelegentlich. Erst als sie wirklich über Polen hergefallen waren, glaubte er sich seiner Sache sicher, mit Wut auf das Stillhalten der Engländer obendrein.
    – Hätten die Nazis ihn aufgehängt?
    – Oh, gern.
    – So ein Kind zählt da gar nicht.
    – Er traute sich gar nicht zu, ein Mädchen großzuziehen. Für das Kind hatte er Geld im Land versteckt; und Hilde Paepcke traute er nicht nur, weil sie Lisbeths Schwester war.
    – Das vergibst du ihm.
    – Das vergeb ich ihm. Und nun konnte er die Engländer noch mit einer anderen Bedeutung durch und durch verludert nennen. Nur daß Alwin Paap von Cresspahls englischer Zeit kaum etwas wußte und die Frau nicht da war, die ihm hätte zuhören können.
    – So ist es mir recht.
    – Und Cresspahl konnte es noch einmal recht sein. Sobald er angenommen hatte, kam das Geld von der Brandversicherung. Wenn eine Laterne umfällt in einer Tischlerwerkstatt, kann das ein Unfall sein, oder nichts als eine Ungeschicklichkeit. Es war viel Geld. Deutsches Geld hatte damals noch Wert.
    – Nun hatten sie ihn obendrein

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