Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Angebot von den U. S. A. Zwei Bedingungen für die Aufnahme des Handels mit nicht strategischen Gütern sind genannt: Aufgabe der militärischen Bindungen an die Sowjetunion; Verzicht auf »Randalieren in der Hemisphäre«. Die dritte, eine Regelung wegen der cubanischen Beschlagnahme von amerikanischem Staats- und Privateigentum, soll sich von selbst verstehen.
Wie die Times es versteht, so ist nunmehr ein Generalmajor der Č. S. S. R. im Lande, weil ihm nicht mehr möglich war, den Staatspräsidenten Novotný zu unterstützen. Ganz zu verstehen ist es nicht, denn zu Hause sollte er gerade wegen Veruntreuung von staatseigener Luzerne- und Kleesaat im Wert von $ 20 000 verhaftet werden (er war aber Parteisekretär nicht im Ministerium für Landwirtschaft, sondern für nationale Verteidigung). Zu Hause wünscht man, es möge ihm kein tödlicher Unfall zustoßen, und hier wünscht man, von den militärischen Kenntnissen des Überläufers etwas abzubekommen.
– Du willst Cresspahl besser machen als er war: sagt Marie. Von Francine spricht sie nicht. In der Schule sieht sie an ihr vorbei, spricht nicht mit ihr. Sie kann sich nicht ausdenken, daß Francine zu der eigenen Mutter nicht zurückgehen wollte. Ihr ist das wie ein Riß im Verständnis von Francine, für den sie noch kein Pflaster hat. Es sieht aus, als habe Francine sie gekränkt. - Gesine! sagt sie.
– Du glaubst es nicht.
– Das trau ich ihm nicht zu. Ein Tischler, und wenn er neben einem Militärflugplatz lebt -
– Er war auf diesem Flugplatz als Tischler angestellt. Die Kommandantur hatte die Innung in Gneez um einen Vorschlag gebeten, und die meisten fanden es richtig, daß Böttcher Cresspahls Namen nannte. Der Mann hatte die Frau verloren, und die Werkstatt obendrein. Arbeit muß er haben, sonst wird er uns noch brägenklüterig.
– Auf dem Flugplatz kommt er nicht weiter als bis zu der Tür, die er in Ordnung bringen soll -
– Die erste war die im Kasino, wo ein Parteioffizier im Suff mit dem Revolver hatte ein Hakenkreuz in Böttchers solide Holzarbeit zeichnen wollen. Doch.
– Siehst du. Und an die Siedlungshäuser für das zivile Personal baut er ab und zu eine Veranda an, auf eigene Rechnung -
– und in Semigs Haus mußte er ein ganz neues Arbeitszimmer bauen, mit mannshoher Täfelung und einer darin ausgesparten Stelle für den Tresor, den der Oberstleutnant von der Decken da einmauern ließ. Es war Cresspahl, der darüber eine Tür machte und unsichtbar machte.
– Siehst du. Dein Vater als Tresorknacker.
– Das muß nicht er tun.
– Meinetwegen. Aber dein Oberstleutnant, und von der Decken noch dazu, er redet doch mit einem Handwerker nicht anders als mit einem Hund. »Brav, brav«. Sagst du selbst. Vielleicht hat er ein paar Flugzeuge von fern gesehen.
– Von nahem, Marie. Selbst aus der Entfernung, er hätte sie zählen können. Es war schon viel, wenn er die zivilen Angestellten zählte, mitsamt ihren Berufsbezeichnungen.
– Und militärtechnische Kenntnisse willst du ihm auch noch andichten.
– Hier wird nicht gedichtet. Ich versuche, dir etwas zu erzählen.
– O. K. Jetzt wissen die Briten, wieviel Flugzeuge auf Mariengabe bei Jerichow stehen.
– Und welche da zu Hause sind, welche nur zu Besuch kommen, und welche da liefern oder Geliefertes abholen. Die Lastwagen mit Treibstoff oder Bomben, die konnte Cresspahl schon auf der Stadtstraße sehen. Gewiß, seine Auftraggeber, oder die sich dafür hielten, lieber hätten sie jemanden wie Professor Erichson geschickt, der den Flugplatz am Abend hätte auswendig aufzeichnen können. Sie mußten sich begnügen mit einem Handwerker, der solche Typennummern wie HE III P im Gedächtnis behielt und vom Aussehen so viel, daß es als Kampfflugzeug erkannt werden konnte. Das reichte für den Transporter Ju 52 oder für das Wasserflugzeug He 59, so einen kleinen Doppeldecker. Und was die Ju 87 anging, das Biest, so war sie nicht eben das Stadtgespräch von Jerichow -
– Eben habe ich dir geglaubt, Gesine. Schon übertreibst du wieder.
– Die Ju 87 war ein »Stuka«, Sturzkampfflugzeug. Wenn die sich dem Ziel entgegenfallen ließen, heulten eingebaute Sirenen in einer infernalischen Art. Das war damals das Psychologische an der Kriegführung. Die hießen die Jerichosirenen.
– Nach den Trompeten, mit denen irgend welche Priester immer um irgend welche Mauern marschieren mußten, bis sie einfielen?
– Das wirkte nur bei einer einzigen Stadt, bei Jericho in
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