Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
möstduseggn! Jejeje. Nach Österreich sei vielleicht Polen an der Reihe, oder aber die Tschechoslowakei komme demnächst an Deutschland. Gewiß wird das ein richtiger Krieg, Lisbeth! Wat hest du glöwt? Und vor Flugzeugen mußte man sich in acht nehmen, da wollte er Heinrich zustimmen. Es war nicht so schlimm, in der Nähe eines Flugplatzes zu leben, wie in Jerichow; da gaben sie sich ja noch Mühe, heil zu Boden zu kommen. Aber auf freiem Felde, was da runterfällt! Es gebe da manchmal Löcher, da könne man dies Haus hineinstellen! Samt Keller und Schornstein. Sachen mit so unerhörter Sprengwirkung wären doch besser mit der Bahn zu befördern als mit der Luftwaffe. Nè. Jå. Prost, Hinrich! Lisbeth war sehr früh nach oben gegangen, und weil auch Cresspahl das Paepckesche Schlafzimmer nicht hatte annehmen mögen, fand Hilde nichts daran, daß er drei Häuser weiter im Hinterzimmer von Witwe Heinricius schlief und Lisbeth in einer Kammer unter dem Dach bei den Kindern.
Morgens rief Paepcke schon laut durch die Hintergärten nach Cresspahl, so daß nun in allen acht Häusern um seines herum war, daß Paepcke sich rasierte und Besuch hatte. Nach dem Frühstück bestand Lisbeth auf einem Kirchgang, so daß Alexander schließlich unter ärgerlichem Lachen beschloß, daß dann alle gehen sollten. Beim Grog im Forsthaus Podejuch fing er an, Lisbeths Schwester zu loben in allem, was ihm einfiel; er brachte Cresspahl nicht dazu, über Lisbeth zu sprechen. (- Wir sind doch beide Fremde mang diesen Papenbrocks: sagte Alexander. - Jå: sagte mein Vater. Er wußte immer noch nicht, daß es eilig war.) Spazierfahrten in der Buchheide. In einer Lichtung, näßlich zwischen sehr schwarzen Kiefern, lagen mit einem Mal unterhaltsam versteckt bunt bemalte Ostereier; Alexander Paepcke, der Künstler im Leben wie im Zaubern. Der Rand der Heide lag sonderbar hoch über dem Flußtal und den neuen Kasernen. Noch ein Abend bei Bier, Mosel und Aussichten des kommenden Krieges. Hilde setzte die jeweils neuen Gläser etwas hart auf den Tisch; das kann einen Paepcke nicht stören. Cresspahl kam nicht dazu, mit Lisbeth allein zu reden; er hätte ihr Alexanders Reden gern abgeschwächt. Und wieder stand Alexander mit Seifenschaum im Bart frühmorgens am Fenster und rief nach der Witwe Heinricius, Regierungsratswitwe, die Cresspahl wecken sollte. Ein Spaziergang an der Ost-Oder. Frühschoppen und Mittagessen in Stettin im Terrassenhotel mit dem abgestuften Turm (am Fuß der Hakenterrasse); um drei Uhr ging der hamburger Zug ab, und um halb neun Uhr abends trug Cresspahl sein schlafendes Kind vom Bahnhof Jerichow nach Hause. Cresspahl war mit dem Ausflug vergnügt; und obendrein hatte Lisbeth ihren Willen bekommen.
Du hast nachgesehen, ob da ein Platz wäre für mich.
Und war es dann nicht wahr, Gesine? Die Alexandra war vier Monate jünger als du, so würdest du einen Vorteil gegen sie haben. Sie hatte die weichen hellen Haare, du die dunklen, sie hätte immer als die hübschere gegolten und wäre nicht neidisch geworden auf dich. Mit ihr warst du ausgelassen wie nicht zu Hause; was hast du geredet! Mit der konntest du leben. Gegen Eberhardt, den Stöpsel, hättest du dich mit ihr verbünden können. Die Christine hättest du dir ziehen sollen. Da war ein Platz für dich.
Warum hast du es dann nicht gleich getan? Warum hast du so lange noch gewartet?
Ich wollte es nicht tun. Das bedeutet Vorsorge nicht. Ich wollte aushalten, wenn ich aushalten konnte.
Und wenn deine Schwester mich nicht hätte nehmen wollen?
Von Cresspahl hätte sie dich genommen, Gesine. Du bist Vaters Tochter.
Nicht leicht die Ruhe findet der,
der einst der Tante Times mißfiel. Wiederum hat Eartha Kitt sich zu verteidigen dafür, daß sie der Frau von Johnson den Krieg als Grundproblem der nationalen Kriminalität ausdeutete, und daß dies Tränen in Mrs. Johnsons Augen trieb. Miss Kitt versteht es immer noch nicht. Ob als Schauspielerin oder als Negerin oder als wer immer habe sie doch das Recht auf eigene Meinung, insbesondere wenn sie ihr abgefragt werde. Die New York Times indes bleibt hart und spricht zum Schluß nicht von den Telegrammen, die Miss Kitt zustimmen, sondern von jenen, die die Frau des Präsidenten trösten sollen.
Na, Miss Kitt?
24. Januar, 1968 Mittwoch
Die durchreisenden Kulturkritiker, die unermüdlich die Nachricht vom Sterben New Yorks mit nach Hause bringen, haben gern auch das Telefonnetz der Stadt zusammenbrechen hören oder, der
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