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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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Entwicklung einer einheimischen Erdölindustrie. Auch habe die Nation auf die Integrität des eigenen Selbstbestimmungsrechtes zu achten, zu dem die Deckung des Erdölbedarfs in natürlicher Weise gehöre. Nicht nur für eine Ablehnung von Kriegen lasse sich eine moralische Wurzel finden; auch für den Selbsterhaltungstrieb einer Nation, die obendrein mit der Verantwortung einer Weltmacht beladen sei. Darauf wissen wir eine Antwort nicht zu geben.
    Eben. Darum werde es Mrs. Cresspahl nicht verwundern, wenn er nochmals mit Schärfe ihren Verweis auf die Rolle der C. I. A. verurteile. Sicherlich sei diese Institution technisch in der Lage, die Regierung Süd-Viet Nams in einen Putsch zu verwickeln, der den U. S. A. eine Kündigung des Krieges wegen Vertragsbruchs ermögliche. Ja, warum soll in Viet Nam nicht für einen Abzug gut sein, was in Südamerika für einen Einmarsch nach dem anderen ausreichte? Keineswegs, Mrs. Cresspahl. Hier sei seit langem die Ehre der U. S. A. verpfändet, und es stehe einer Ausländerin nicht an, aus falsch verstandenem Weltbürgertum einer Nation Zensuren zu erteilen, bei der sie zu Gast sei.
    Damit sei die Diskussion hoffentlich beendet. Gewiß ist sie das, Mr. Fleury.
    Wenn ihm eine abschließende Bemerkung erlaubt sei. Genieren Sie sich nicht, Fleury. So bemühe sich Mrs. Cresspahl um eine Lebensweise, die gewiß in Freundestreue, politischer Konsequenz, Bewußtheit allgemein Vollkommenheit anstrebe. Müßte ich mall zu sein, Fleury. Er werde nicht so undelikat sein, den Unterschied zwischen Mrs. Cresspahls Bemühen und einer Vollkommenheit zu untersuchen. Sehr freundlich, Mr. Fleury. Er fühle sich jedoch genötigt, grundsätzlich festzuhalten, daß dies lediglich ihre Art von Perfektion darstelle. Sie aber leite daraus Maßstäbe ab auch für andere, kurz, sie verlange von Freunden, daß sie so lebten wie sie. Nein. Nein. Mit einem solchen Menschen sei jedoch nicht zu leben, der unablässig durch strenges und eben nur vorgetäuscht vorbildliches Verhalten rund um sich Kränkungen und Verletzungen ausstreue. Das bin ich nicht. Das bin ich nicht.
    Aber es gebe jemanden, der imstande sei, sie so zu sehen, Mrs. Cresspahl. Was nun Annie angehe -
    Das ist nicht seine Type, Annie. Sie mag ähnlich sein, aber der Brief ist nicht von ihm. Nein.
    Aber er hat im Büro angerufen, dein F. F. Fleury. Du sollst nach Hause kommen. Der Schlüssel liegt bei den Nachbarn. Das Bankkonto wird ein halbes Jahr reichen. Er wird nicht da sein. Er wird nicht kommen.
    Erschrick nicht so, Annie. Er hat sich freiwillig für den Einsatz in Viet Nam gemeldet, gewiß, aber sie haben ihn nicht genommen. Zu alt, was weiß ich. Er hat eine bostoner Zeitung dazu bewegen können, ihn als Korrespondenten nach Saigon zu schicken, vorerst nur für die Zeit einer Artikelfolge. Er will sehen, wie es dort aussieht.
    Warum soll ich etwas dazu sagen, Annie! Sag doch du! Inzwischen les ich die Zeitung!
    Das elektronische Netz, das die U. S. A. über Land und See, in der Atmosphäre wie im Weltraum ausgehängt haben, hat ein Loch bekommen. Nordkoreanische Marine hat am Montag in der Japanischen See die Pueblo aufgebracht, nach ihrer Meinung ein bewaffnetes Spionageboot, nach der Darstellung des Kriegsministeriums ein kaum bewaffnetes Nachrichtenschiff der Marine oder auch ein Schiff für Umweltforschung. Seufzend, zwar als habe sie sich von D. E. beraten lassen, fügt die New York Times hinzu, daß die Kriegskunst heutzutage unter einer Umwelt eher die elektronische verstehe und die Forschung richte auf das Entschlüsseln und Stören gegnerischen Radars. Aber sie versteht es nicht. Fünf Fragen, nicht weniger, bringt sie vor, wo denn der Düsenjägerschutz geblieben sei, ob die Pueblo wirklich für die Marine gearbeitet habe oder am Ende doch für das Nationale Sicherheitsamt, und was wir sonst nicht gänzlich erfahren werden. Die anderen Fragen hat sie in ihren kunstfertigen Berichten versteckt wie die Ostereier: Nach Radio Nordkorea war die Pueblo weniger als 19 Kilometer von der Küste entfernt, also innerhalb der Territorialgewässer. Das Außenministerium der U. S. A. sagt: Mindestens 19 Kilometer. Ein Konteradmiral in Panmunjon: 29 Kilometer. Das Kriegsministerium: 40 Kilometer. Militärische Kreise: Weniger als 40 Kilometer. Das wird ein langweiliges Spiel, und über achtzig Mann Besatzung haben das abzuwarten.
    Womöglich sind die da sicherer als Mancher der 5000 Marineinfanteristen, die als Verstärkung nach

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