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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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Gnaden seines ritterlichen Feindes verschmähte.
    Dr. phil. Julius Kliefoth, Gymnasiallehrer für die Fächer Englisch und Geographie, auch Oberstleutnant im Ruhestand, meldete sich bei Cresspahl am dritten Tag nach dem Sensenbefehl. Cresspahl mochte ihn nicht wegschicken. Der Akademiker, befahren in den Hauptstädten von England und Frankreich, ehemals Dozent an der Universität von Berlin, brachte in einer abschätzigen, zu forschen Art vor, eine Harke werde er am Ende regieren können. Das sollte die Entschuldigung sein. Cresspahl wollte glauben, der Akademiker komme wegen des Teillohns in Naturalien, er hatte undeutlich reden hören vom Krankliegen der Frau; ihm mußte jede Hand in der Ernte recht sein. Für Kliefoth blieben die leichten Arbeiten übrig, man sah das malchower Stadtkind noch beim Aufstellen der Hocken. Das Dengeln der Sensen war etwas zum Lernen, das bekam er heraus. Dann schaffte er noch mehr als seine Arbeit. Die Frauen verdachten dem alten Herrn nicht, daß der Gebrauch einer Sense ihm fremd blieb. Er war fast sechzig Jahre alt, sie nannten ihn nicht Opa. Nach einer Weile war er es, der die Arbeit in Stücke einteilte. Sie kamen zu ihm mit ihren Streitfällen, und fanden sich ab mit seinen kurzen Entscheiden, selbst wenn einer ausfiel als »dumm Tüch«. Sie sahen, wie erschöpft er im Schatten der Hocke lag und gegen die Hitze atmete, sie sahen ihn seine ungeübten Knochen hochquälen, er durfte das Ende der Mittagspause ansagen. Mit steifen Beinen stakte er von einem Ende der Kolonne zum anderen, gelegentlich redete er etwas militärisch vor sich hin, es klang aufmunternd, nicht zum Übelnehmen. Man tau! man tau. Wo Kliefoth war, wurde gearbeitet, und so mancher Rotarmist zog ab, wenn ein alter Herr ihn erstaunt und von oben herab abkanzelte. Er war ein Anführer, und sicherte abends das Ende der Kolonne, und stand hinten in der Reihe vor dem Kornspeicher. Wie ein Tagelöhner sah er aus, hager in seiner schlotternden Hose an faserigen Trägern, das zerschlissene Hemd ohne Kragen spannte sich über seinen herausgedrückten Schulterblättern, nur die abgehackten Schritte paßten nicht, und die schmalen Handgelenke verrieten ihn. Die Müdigkeit zog ihm sein faltiges Gesicht zu in Verschlafenheit, er konnte noch nach einem langen trockenen Tag ein Kind wach machen mit einem knappen Blick, der jeweils neue Überraschung vortäuschen sollte, so fühlte das Kind sich wieder gefunden und beachtet. Er konnte nicht schwitzen, unter der scharfen weißen Haarbürste war sein ganzer Kopf rot, auf den dürren Lippen trocknete Schaum; Cresspahls Tochter hielt ihn für tapfer. Sie hörte das gern, wenn er einer Frau zuredete, die aufgeben wollte, das war so ein zufassender, tief kollernder Ton. Am Abend brachte er die Stimme noch kaum heraus aus der Kehle, aber Cresspahls Tochter zeigte ihm ihre Wasserflasche nur, bot sie nicht an; für sie blieb er der Lehrer, wie seine Förmlichkeiten ihn für die anderen zum Herrn Doktor machten. Sie wußte immer, wo er war auf dem Feld; neben ihm die Harke schwenken, es fiel leichter. Nun hatte er sich zwei Tage Urlaub genommen.
    Vom Rathaus muß er zum Alten Friedhof gegangen sein; Pastor Brüshaver hat ihn gesehen. (Cresspahl und Brüshaver lernten inzwischen, mit einander zu sprechen.) Kliefoth hatte Niemanden liegen da, zwar besaß er eine Grabstelle, die war mit dem Haus erworben. Er stand in der Mitte des Hauptweges, da konnte er das Sichtfeld von Tor und Kommandanturvilla her abschätzen. Nach einer strategischen Besichtigung sah es aus. Brüshaver stellte sich an ein Fenster zur Stadtstraße, ihn abzupassen; da kam er nicht vorbei, hatte ja von der Kirche nie etwas gewollt, seit er in Jerichow war.
    Am anderen Morgen, die Vögel waren noch still, schob er einen gummibereiften Karren aus seinem Torweg, der war halb so lang wie der Kasten darauf. Er hatte einen Jungen bei sich, der half schieben, damit Kliefoth die Last vorm Abrutschen bewahren konnte.
    Es war ein stattlicher Sarg, mit mächtigen Wölbungen und Riefen, mit Eisen in Girlandenformen beschlagen, mit drei bronzenen Handgriffen auf jeder Seite, mit sechs Füßen, einem Möbelstück gleich. Die Kruzifixfigur auf dem Deckel hatte er abgeschraubt, nun war der Kasten schlechter zu regieren. Unter dem Kreuz hatte Fräulein Emma Senkpiel in ein anderes Leben hinübergehen wollen, sie hatte das Vorratsstück nur widerstrebend weggegeben. Obendrein hatte Kliefoth nichts zu bieten. Keinen Kanister Öl, nicht

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