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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Kreditrahmen, der aus solchen aufzubauen sei; nie in meinem Leben habe ich damit mich versucht an einer belletristischen Prosa. Das sollte es doch sein, wenn man vom Leben eines Menschen auf Papier zusammenträgt, was zu wissen ist und anzunehmen und gesehen und gehört, oder? wenn auch andere es lesen sollen und darin dich erkennen zu ihrem Spaß und ihrer Belehrung? Zwei Wörterbücher, zu meiner Blamage gesteh ich’s, brauchte ich auf dem Tisch. Als ob mir das Englische mit eins vergeht, soll ich einmal damit sagen, wie Einer in der Schule gewesen ist (wäre), wie er sich anstellt beim Anbeißen einer thüringischen Rostbratwurst (eines kalten Eies), wie er sich hält auf stürmischem Meere (bei einer Vorladung zur Geheimen Staatspolizei / dem ostdeutschen Staatssicherheitsdienst), ob man seinetwegen ruhig schlafen darf oder rennen was das Zeug hält. Anfangs bin ich um dich herum gegangen wie ein Schneider (weiblich oder männlich) und versuchte zu finden, was unter dem Stoff ist und wie meiner sitzen könnte auf deinen Gliedern und Schultern. Auch habe ich versucht, dich anzusehen wie ein Mädchen / ein Junge, die finden gerade an dir begehrenswert, wie du die Lippen schürzt, die Muskeln um die Augen bewegst, die Beine setzt. Wie du dich räusperst, wie du … Deiner Eltern, du weißt es, habe ich gedacht. Eine Sache habe ich ganz und gar verschwiegen. Gelobt habe ich, was mir gefiel. Was mich gestört hat, ich verwandte es zu Stickerei aus Neckerei. Die ganze Zeit saßen mir Schmerzen im Denken, der Arbeit wegen; am Ende manchmal war mir, als hätte ich dich anwesend, als wärst du nun da. Vierzehn Seiten und eine halbe zu je zweitausend Anschlägen, und nachts um elf zum Hauptpostamt, damit es an die Herausgeber abgeht mit nächster und fliegender Fracht.
    Dann Schweigen, und das Datum des Anlasses verstrich. Endlich die Erklärung, du hättest dir mein Geschriebenes über die Grenze schmuggeln lassen, in Hosentaschen, in Streichholzschachteln, was weiß ich, um gerade von mir über dich zu lesen. Was ne Ehre; siehe aber auch unter Festschrift und J wie Jubilar. Nach noch ner Weile die Auskunft, du habest dich, eigentlich uns beide, gern erkannt und wollest, Befangenheit eingestanden, das Portrait als rundum zutreffend mit Vorliebe akzeptieren; mit dem Wissen, was da aus Freundschaft ausgespart sei.
    Na, denn. Wenn’s dir gefällt. Na bitte. Wartete ich auf die Ersuchen um Änderungen. Wie ein Schneider auch.
    Kamen aber keine. Statt dessen der Bescheid: wir stehen mit dem Unseren außer Frage, von vornherein, weil von uns bekannt ist, daß wir die und die sind.
    Dis haste nu jewußt, als du den Auftrag erteiltest.
    Es versteht sich, wir treten zurück. Zwar, wir haben einen Druckvertrag (ohne Honorar); wir verzichten. Warum sollten wir dir im Wege stehen wollen, wenn es dich juckt Betriebsleiter / Verdienter Arzt der Republik / Nationaltrainer / NichtVorbestraft zu werden? in Sachen deiner Kunst / Technik / körperlichen Fähigkeiten ins NichtSozialistischeWirtschaftsgebiet, in den Westen reisen zu dürfen? Im Gegenteil, wir möchten deine Erkenntnisse oder Geschicklichkeiten von Niemandem als dir vorgetragen wissen in Helsinki wie Leningrad, in Pasadena wie in Mexico City.
    Ohne daß wir zugegen sein müßten, allerdings.
    Du hast dir nun einmal ausbedungen eine Festschrift in Sachen Endokrinologie / Forstwissenschaft / Molekularbiologie / Mathematik / Kunstgeschichte / Heizungstechnik; gesäubert von dem Stück Lebens, das du mit uns gemeinsam hattest.
    Wobei uns vorkommt, daß du hier wie dort Bedürfnisse deines Staates in deine eigene Person verlegst, Notdürfte von einer Art, die du der D. D. R. bloß anempfindest, in einer allzu bereitwilligen und weitläufigen Auslegung.
    Denn wenn wir den heutigen Sendboten und Beschützern deiner Landesverwaltung gegenüber treten, so mögen sie uns noch übel verdenken, daß wir einmal gegangen sind ohne groß zu fragen nach dem Gesetze, dessen Antwort auf solche Erkundigung bekannt war als ein Nein und das den Versuch mit Gefängnis bestrafte. Dennoch bleibt vor uns die Maschinenpistole gesenkt, sagt die D. D. R. uns Guten Tag und wünscht Gute Reise; sie gibt uns zu essen und ein Bett, wir müssen nur zahlungswillig sein in unserem NichtSozialistischen Geld; und das ihre bewahrt sie uns auf in einer höchsteigenen Staatlichen Bank. Und AufWiedersehen sagt sie.
    Womöglich die dienlichen Dienste bedenkend, die wir ihr noch nach dem Abschied

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