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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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erwiesen, indem wir sie erwähnten als einen ausländischen (outlandish) Staat, ganz wie sie dessen bedarf zwecks Anerkennung (Näheres unter drei Buchstaben; Zuschriften an die Redaktion). Und das wäre nur eine von dankenswerten Leistungen.
    Du hast unsere Zeit benutzt. In Ordnung; ich hab in meinem Leben viel Leute gern gehabt. Nur, du hast sie schlecht benutzt, da du wußtest es war umsonst und vergeblich; du hast unsere Zeit vergeudet.
    Wir sehen die Beschränkungen ein, in denen du dich fühlst; sind aber sicher, du hättest dir ein gut Teil selbst gezogen. Dennoch, da du es sagst, ist dir lediglich möglich, über eine private Postanschrift von uns jene Tausend Kleinen Dinge anzunehmen, die euer Sachwalter wie seine Nachfolger deinem Alltag vorenthalten, vom Fachbuch bis zum Klopapier. Du vermagst recht wohl umhergehen in deinem Lande mit einem Jäckchen, den Stoff dazu hast du dir bei uns erbeten, mit einem Kleinstradio am Ohr, das haben wir geliefert auf deine Bestellung. Unmöglich aber ist dir, öffentlich und dienstlich wie auch im amtlichen Schriftverkehr zu einem Umgang mit uns dich zu bekennen, da allein die Nähe unseres Namens zu deinem deiner Laufbahn / Kaderakte / Biographie / deinem Leumund schade. Das sehen wir ein. Da wollen wir keines Weges dich hindern beim Wahrnehmen deiner Menschenrechte.
    Seit gestern nacht ist uns unverbrüchlich zugetragen als Anblick und Geräusch: du gehst da umher in deinem Lande mit unseren Erinnerungen an dich, dem Nachruf, den du dir erschwindelt hast, damit du schon zu Lebzeiten erfährst, was wir aufbewahrt haben und wert gehalten an dir. Wir hören: du liest das vor, in jeweils vertrautem Kreise, als Bitte um Mitleid für deine schlimme Lage, in der so nette Dinge über dich zu drucken von Staats wegen untersagt ist.
    Seit gestern nacht gehen wir inwendig krumm, so genieren wir uns. So schämen wir uns.
    Und möchten zurücknehmen, was wir aufgeschrieben haben in einem Vertrauen auf dich.
    Elli Wagenführ. (Namen auswechseln. Wie aber könnte Irgend Jemand Elli Wagenführ ersetzen.)
    Daß wir dir von ihr erzählt haben, es war fehlerhaft. Wie sie aus Peter Wulffs Küche witschte, beide Hände voller Teller, – Heiß: rief sie, und: Fettich! und die Markttagskundschaft beteuerte genüßlich, heiß käme ihnen gerade zupaß, auch mitten im Sommer; bemerkte auch über das Fett. Zog ihr die Schürzenbänder auf. Freute sich auf die Ohrfeigen. Es tut mir leid. Ich nehme es zurück. (Namen ändern. Wirtschaft in Jena.)
    Und den Ginster. Wir kamen an Ginster vorbei, der stand gut im Saft; ich mußte mein Vergnügen doch sagen an seinem Blau und Gelb. – Ginster? fragtest du: So wie der, der das Buch geschrieben hat, von ihm selbst? Den Ginster hast du von uns; wir bestreiten dir das Eigentum.
    Und daß wir jemals gedacht haben, es käme auf keine Vorsichten mehr an, und dir den Schnack auslieferten, ein Heimatstück, einen Blick Ostsee: blue as blue can be. Wir ziehen das ein.
    Und daß ich dich meinem Vater zugemutet habe, der mir trauen mußte. Wenn ich ihm einen Fremden anbrachte, ich bürgte doch für dessen Zuverlässigkeit. So daß er dich betrachtete, als verdientest du seine Höflichkeit, und dir womöglich die Hand gegeben hat als einem Gast. Wie das ungeschehen machen. Dafür schäme ich mich.
    If I have to choose between betraying my friend and betraying my country, I hope I shall have the guts to betray my country. –
    E. M. FORSTER
    Det mista dialektisch sehn, wa? Na, denn sei froh.
    Und beruhigt. Wir leugnen, dich zu kennen. Nie haben wir dich gekannt. Ist es so zu deinem Nutzen? Nein, du hast mit uns nichts zu schaffen. Wir haben mit dir nichts am Hut. Wird diese Versicherung dich befördern / promovieren / in das Nutzungsrecht an einer Wohnung setzen? Ist deine nationale Spielart des Selbstverständnisses, deine identity nunmehr der Kränkung enthoben? Wir sind Fremde. Sind wir immer gewesen. Wie können wir dich zum Ende grüßen, wenn wir eine Bekanntschaft / Zusammenarbeit / Wohngemeinschaft mit dir von uns zu weisen haben. Anderen Leuten sagen wir Tschüß oder Take care oder Mind where you go, auf Verlangen À Dieu. Dir sagen wir Schluß und Niemals und Aus.
    (Reinschrift zur Weiterleitung als Fotokopie verschicken. An dieser Stelle Abdeckung einer Unterschrift vortäuschen.)
    Der New York Times ist heute gelegen an unserem Mitgefühl für eine Hausfrau (welch selbe bittet, ihren Namen zu verschweigen). Kommt sie von Long Island nach

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