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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Einheitspartei, und hielt der Versammlung Bilder hin, einen Sessel, Lampen. Die Bieter, Alfred Fretwust voran, johlten ihre humorigen Anmerkungen, als seien sie jugendlich, oder angetrunken. Nun fing ich an, wegzugehen.
    – Warst du denn volljährig?
    – Nach ostdeutschem Gesetz. Cresspahl und Jakobs Mutter, sie ließen mich reden eine Nacht bis an den Morgen. Einer alten Frau hab ich Angst bereitet. Cresspahl hoffte, das Kind werde sich besinnen. Er sprach von einer Erholung. »Ferien bei Anita« sollten es sein.
    – Und Jakob?
    – Jakob gab der Studentin Cresspahl einen Freifahrtschein zur Reise an die Universität Halle, statt über Stendal ausgeschrieben für die Strecke: Gneez-Güstrow-Pritzwalk-Berlin. Das Kind in der Grenzkontrolle ohne vollständige Papiere, unter einem Verdacht, der sie hinter Gitter bringen konnte! Dem beugte er vor. Und er hatte sich ausgedacht, daß im Juni die Morgende hell sind, Sonnenlicht tanzt in den Wäldern, die Seen blinken bei Krakow und Plau; das sollte sie zum Abschied sehen. Erst als ein Schaffner ihr den Schein mit braunem Querstrich und Reichsbahnstempel zurückgab wie einer Kollegin, ging ihr auf: Jakob hatte sie mit einer Rückfahrkarte ausgestattet.
    – Welcome to San Francisco, Gesine!
     
    Und was machen in S. F. die Chinesen?
    Einige stehen entgeistert in einer Galerie zum Schießen mit Luftgewehren auf bewegte Ziele, da betrachten sie eine europäische Touristin mit einem amerikanischen Kind, die haben einen fremdsprachigen Wortwechsel. Geht die Dame hin, nimmt ein Gewehr, hat nach zehn Schüssen eine Weckeruhr sich verdient, den Hauptpreis. Klatschen Beifall, neidlos, die Zuschauer. Das machen in S. F. Chinesen.
    16. August, 1968 Friday
    In New Orleans eine New York Times vom Tage finden, es ist ein chercher une aiguille dans une botte de foin, und betreffen läßt sie sich wie etwas Exotisches, in einem Eckladen an der Canal Street, der zumeist ausländische Druckerzeugnisse feil hält. Abgegeben wird sie gegen zehn Cent Zuschlag für die Luftfracht. Die einzige Nachricht für uns: in New York hat es gestern gebrannt. Gestern nachmittag, kurz nach Mittag, hat ein mittleres Feuer den erhöhten Bahnsteig der Subway von Rockaway Park kahl gefressen; wo wir den Dienstag verbrachten mit Jakobs Brief aus Olomouc, Č. S. S. R. Marie bittet sich das Blatt mit der Fotografie der Brandstätte aus, zur Vermehrung unseres Gepäcks, ein Streitgespräch über Zufall mit D. E. vorzubereiten; – für wenn wir wieder zu Hause sind.
    Marie hat sich verkuckt in die Chinesen von San Francisco, an die einverstandene Art, mit der das Auge des Durchreisenden die gelben und schwarzen und rosanen Leute mit einander umgehen sieht auf den Bürgersteigen, in den Seilstraßenbahnen, wo sie dem Fremden Platz einräumen nach der Gebrechlichkeit, dem Alter, in einer Kameradschaft. Weil sie Marie erinnern an einen Sonntagspaziergang im Juli von New York mit D. E., da lag auf einer Stützmauer des Riverside Park, an einem Abfall von fünfzehn Meter, ein Bürger dunklerer Hautfarbe mit geschlossenen Augen; schlief im Vertrauen auf den Sonnenschein. – Das ist alles, was wir geschafft haben in unserer Stadt! befindet ein beschämtes, ein enttäuschtes Kind.
    Über ihrem Vergnügen an den Kuttern in der Fischerswerft, es läßt sich leicht ein Bus, sogar ein Taxi zum Flugplatz von San Francisco versäumen; sie ließ sich den Vorschlag gefallen, aus der Reise eine mit drei Ecken zu machen. Wenn eine jüngere Dame in Begleitung einer älteren vorbeischreiten an einem livrierten Hotelportier, mit gar keinem Gepäck versehen als einem tickenden Paket, ehrenvoll behält das Haus sie über Nacht: nämlich wenn man auftritt, als täten wir das alle Tage, wie D. E.! ruft das Kind, vorfreudig.
    Diesen Professor Erichson, der seinem Dasein abhanden geraten ist in einer nordosteuropäischen Umgebung, Marie bringt ihn noch heran, wenn sie die Mutter belobigt für das Umbuchen einer Flugreservierung: wie wir es gelernt haben von ihm! befindet sie. Für ihn betrachtet sie New Orleans, in der Hoffnung ihm sei es fremd, auf daß sie ihm zu erzählen habe, aus diesem Flugplatz entkomme man nur in sechssitzigen Limousinen, deren Fahrer seine beiden letzten Gäste ungefragt zu einer Familienpension zwischen Canal Street und Mississippi brachte, an eine lange schmale Treppe mit dem Ruf: Folks, ich bringe euch jemanden! Und wieder sei eine Rezeption verwundert gewesen, weil wir tatsächlich aus einem Paß

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