Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Eine von denen lief hinaus auf die Behauptung, ein Proletarier in der Landwirtschaft, und sei er belehnt (bestochen) mit einer Kate, Gartenland und Deputat, er werde seine Arbeit niemals annehmen als eine eigene, da sie lediglich das Eigentum des Grundbesitzers oder des Pächters erhalte und vermehre. Unter der Fuchtel von Hitlers/Darrés landwirtschaftlicher Gesetzgebung hatte er seine 120 Hektar bearbeiten müssen in der feudalen Art des Hergebrachten; nachdem diese beiden den Krieg verloren draußen wie binnlands, hatte er sein Angestammtes zu etwa neun Teilen ausgegeben an Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten, sie mußten nur Bauern sein oder den Beruf lernen wollen. Für diese Schenkungen, dem Namen nach Ausleihen, hatte er eine jeweils erfundene Summe eintragen lassen ins Betriebsvermögen, auch ins Grundbuchblatt; betrieb unter dem Schutz seiner Freunde in der Roten Armee eine landwirtschaftliche Kommune, wie sie nach seinem Sinne war; noch 1951 konnte ihm kein Kontrolleur von den VolksEigenen Erfassungs- und Aufkaufsbetrieben an den Wagen fahren. Kam die wissenschaftliche Erkenntnis der ostdeutschen Regierung, eine sozialistische Landwirtschaft bedeute Großraumwirtschaft; kam deren Erstaunen über Leute an der Ostsee bei Jerichow, die 1952 längst arbeiteten in einer Genossenschaft, weit fortgeschritten über den sozialistischen Typ III , der bloß eine gemeinsame Nutzung des Ackerlandes, der Zugkräfte, Maschinen und Geräte hatte einführen sollen nach sozialistischer Manier. Bei Johnny war noch die persönliche Hauswirtschaft allen Mitgliedern gemeinsam, da wurde in einer Küche gekocht, an einem Tisch gegessen. Aus den erfundenen Zahlen waren nun solche geworden, damit konnte Frau von Alvensleben abgefunden werden für ihren Anteil, als ihre Kinder sie nach auswärts baten in die Pflichten einer Großmutter; das Geld kam zurück auf der Stelle, da holte Frau Sünderhauf ihren Bruder aus dem Westen, wo er im Ruhrgebiet hatte unter der Erde arbeiten müssen. Als Mittelbauern veranlagt, mußten die Angehörigen von Johnnys Entwurf ein Vielfaches abliefern von dem, was den Siedlern, den Kleinbauern auferlegt war: acht statt zwei Doppelzentner Weizen je Hektar, 75 statt 25 dz Kartoffeln, 59 statt 38 dz Fleisch; dennoch standen sie noch gegen Ende 1952 so da, daß Johnny besorgten Besuchern sagen konnte: So!
– Gesine! Wie kannst du in einem amerikanischen Flugzeug den Unterarm anwinkeln und eine Faust machen!
– Dies ist ein internationaler Flug. Io sono di Ierico.
– Wie hast du den alten Herrn jenseits des Gangs erschreckt! der weiß nämlich, was es bedeutet.
– Vi forstår desværre ikke amerikansk, kære frøken.
– Kommt nun etwas in der Art, daß Eifersucht eine üble Eigenschaft ist, sogar für eine sozialistische Verwaltung? That socialist rulers have human feelings, too?
– Wie kannst so etwas auch nur denken! Nein, sie waren begierig zu erfahren was denn Johnnys Welt / im Innersten zusammenhält; eine Tiefenprüfung stellten die Fachleute fürs Soll an bei ihm. Nun war die Ernte von 1952 man mau ausgefallen, da war der Schlegelsche Verein mit der Milch in Rückstand geraten; großzügig und nach den Vorschriften hatten die Erfassungsämter erlaubt, statt derer Schweinefleisch abzugeben. Fehlte es danach an dem, so durfte er es umrechnen in Rindfleisch.
– Dann kriegt er noch weniger Milch in den Eimer!
– Das war gleichgültig, die verpfändete Kuh durfte er behalten im Stall; er mußte sie bloß bezahlen.
– Das eigene Tier?
– Zu einem vierfachen Preis. Hätte er sie angebracht als Soll, so wäre ihm nur der Stopp-Preis von 1941 angerechnet worden.
– Auf solchen Umwegen, ich würd mich auch verrechnen.
– Johnnys Bücher waren genau, vollständig. Leider. Denn nun konnten die Steuerfahnder aus regelmäßigen »Entnahmen« entschlüsseln, daß Johnny im Herbst 1947 den Maltzahns jenen Keil abgenommen hatte, der ihn schon seit fünfzehn Jahren störte, ein paar Hektar, und bis 1950 bezahlt über Westberlin auf deren Auslandskonto in Schleswig-Holstein. Privater Devisenverkehr.
– Haftbefehl?
– Im Februar 1953.
– Aaah! sagte das Gericht. Sehr schlecht.
– Vorzüglich: dachte der Richter. Und Otto Sünderhauf hatte sein Anteilsgeld in Frankfurt am Main umgetauscht, wo er bloß dreiundzwanzig westliche Mark hinlegen mußte, um einhundert östliche zu bekommen. Der verbrecherische Wechselkurs der Imperialisten.
– Angebot und Nachfrage.
– So wurden die
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