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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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es bei euren Stabsmanövern in unserem Land bewiesen. Wir haben euch begrüßt, wir waren zur Stelle, wo ihr uns brauchtet. Daß die Leute unruhig wurden und zweifelten, kam doch bloß daher, daß ihr immer neue Termine genannt habt für eure Rückfahrt. Haben wir euch je ins Gesicht gesagt: Geht?
    Das wissen wir: Wenn wir die Führung aus der Hand geben, ist es aus mit der sozialistischen Gesellschaft. Gerade deswegen sollten wir uns verständigen über das, was für die Führung unerläßlich ist. Wir brauchen die freiwillige Unterstützung von seiten der Bevölkerung. Die Führung bekommen wir schwerlich durch Herrschaft von oben, sondern indem wir richtig, fortschrittlich, sozialistisch handeln.
    Wenn wir zu den alten Methoden des Befehls zurückkehrten, hätten wir beim ersten Anzeichen die Mehrheit gegen uns, in der Partei, bei den Arbeitern, den Kollektivbauern und der Intelligenz. Gerade so verlören wir die Führung, gerade so würde das Volk die Vorteile des Sozialismus verlieren, gerade so würde unsere gemeinsame Front gegen den Imperialismus aufgeweicht. Es kann nicht euer Wunsch sein.
    Wir haben unseren Plan. Wir haben ihn euch erklärt.
    Erstens. Die Leute, die die Partei in diesen schlimmen Zustand gebracht haben, die werden wir uns vorknöpfen. Wenn es vertretbar ist.
    Zweitens. Auf dem vierzehnten außerordentlichen Parteitag werden wir uns ansehen, was wir seit dem Januar gemacht haben. Wir werden die Parteilinie festlegen, uns mit der Föderation von Tschechen und Slowaken beschäftigen, ein neues Statut aufsetzen und ein neues Zentralkomitee wählen, das Vollmacht und Vertrauen der ganzen Partei wie der gesamten Gesellschaft besitzt.
    Drittens. Dann werden wir uns an unsere inneren Angelegenheiten machen: die Verbesserung der sozialistischen Nationalen Front, die Selbstverwaltung, die Verwirklichung der Föderation, die Neuwahlen und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung.
    Gerade jetzt ist es bannig schwierig. Wir kommen voran, wenn wir auch gelegentlich zurückstecken müssen. Aber wir haben die Lage im Griff. Die zum Kongreß gewählten Delegierten sind eine Sicherheit dafür, daß die Zukunft unserer Partei nicht bestimmt wird von Leuten, denen der Sinn für Maß und Verstand fehlt.
    Jene »Zweitausend Worte« haben wir zurückgewiesen. Gefährlich waren sie nie. Aber da ihr so böse wart darüber, sagen wir dies öffentlich zu euch, mit lauter Stimme, damit alle Tschechen und Slowaken hören und verstehen: Das darf nicht wiederholt werden, denn es könnte den Zorn unserer sowjetischen Freunde erregen, von denen wir aber keinen bösen Willen brauchen, sondern Geduld. Nichts dieser Art wird noch einmal vorkommen.
    Aber glaubt uns, wir können leichter arbeiten, seit wir die Zensur aufgehoben haben und die Freiheit der Meinung wie der Presse wieder hergestellt ist. Die Leute flüstern nicht mehr hinter unserem Rücken, sie reden offen. Zum ersten Mal wissen wir, was sie denken über uns.
    Wenn wir nun von einer peinlichen Sache vor aller Leute Ohren zu euch reden, obwohl ihr sie in den Akten eurer Geheimpolizei habt, so geschieht dies aus Höflichkeit und soll eine Auskunft sein von Amts wegen. Das Gesetz über die Rehabilitation unschuldiger Leute, die in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Gesetzes ungesetzlich verfolgt worden sind, war ein Erfolg. Seit das durch ist, sehen die Leute kaum noch in diese Richtung.
    Im September, gleich nach dem Parteikongreß, werden wir die Parteien der Nationalen Front auf Dauer bestätigen und ein Gesetz erlassen, das die Bildung und Betätigung freiwilliger Organisationen, Vereine, Clubs und all solchen Krams zu einem Recht erklärt. Die Feinde des Sozialismus werden sich zeigen, und wir können gegen sie angehen.
    Liebe Freunde, wollt ihr uns blamieren vor unseren eigenen Leuten? Wir können schlecht zurück in die Zeiten, in denen wir ihnen einreden konnten, ihr redet uns nicht dazwischen, wenn ihr uns dazwischenredet. Laßt uns unser Gesicht wahren. Wir können unsere eigenen Angelegenheiten an keinem Ort regeln als auf unserem eigenen Kongreß.
    Um was bitten wir euch denn. Um Zeit. Um zwei Monate.
    Wir sind bereit, mit euch zu reden. Das ist ja wohl ein Mißverständnis gewesen wegen eines Datums, das kommt eben vor. Aber laßt uns ein wenig in Ruhe, denn wir stehen auf der Kippe. Reden haben wir doch immer können. Das Händchen werden wir euch küssen, umarmen werden wir euch, Wange an Wange, wenn ihr uns nur noch eine kleine Weile lang machen

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