Jahrmarkt der Eitelkeit
ein paar Entschuldigungen hervor. Wie sie sich denn nach den Ereignissen des Morgens und den Anstrengungen des Balls abends zuvor fühle? Monsieur Isidor verschwand mit dem geblümten Schlafrock im anstoßenden Schlafzimmer seines Herrn.
»Wie nett von Ihnen, sich danach zu erkundigen«, sagte sie und drückte seine Hand zwischen ihren beiden. »Wie kaltblütig und gefaßt sehen Sie doch aus, während alle anderen vor Angst umkommen! Wie geht es unserer lieben kleinen Emmy? Es muß ein schrecklicher, schrecklicher Abschied gewesen sein.«
»Ja, furchtbar«, sagte Joseph.
»Ihr Männer könnt doch alles ertragen«, erwiderte die Dame. »Trennung und Gefahren bedeuten euch nichts. Geben Sie nur zu, daß Sie beabsichtigt haben, sich der Armee anzuschließen und uns unserem Schicksal zu überlassen. Ich weiß, daß Sie das tun wollten, irgend etwas sagt es mir. Ich war so erschrocken, als mir der Gedanke kam (denn manchmal, wenn ich allein bin, denke ich an Sie, Mr. Joseph!). Ich bin gleich losgelaufen, um Sie zu bitten und anzuflehen, uns doch hier nicht im Stich zu lassen.«
Diese Worte muß man folgendermaßen auslegen: Mein lieber Herr, Sie haben einen bequemen Wagen, und sollte der Armee etwas zustoßen und ein Rückzug würde notwendig, so beabsichtige ich, darin einen Platz zu belegen. Ich weiß zwar nicht, ob Joe die Worte so verstand. Er war nämlich tief gekränkt wegen der geringen Aufmerksamkeit, die die Dame ihm während ihres Aufenthalts in Brüssel gezollt hatte. Man hatte ihn keinem von Rawdon Crawleys bedeutenden Bekannten vorgestellt, und zu Rebekkas Gesellschaften war er kaum eingeladen worden, denn er war zu ängstlich, um hoch zu spielen, und seine Anwesenheit langweilte George und Rawdon. Keiner der beiden hatte gern einen Zeugen bei den Vergnügungen, denen sie frönten. Aha! dachte Joe, jetzt, wo sie mich braucht, kommt sie zu mir. Wenn sie niemanden weiter hat, dann fällt ihr der alte Joseph Sedley ein! Aber abgesehen von diesen Zweifeln fühlte er sich geschmeichelt durch Rebekkas Ansichten über seinen Mut.
Er errötete, setzte eine ungemein wichtige Miene auf. »Ich möchte das Gefecht gern sehen«, sagte er. »Jeder mutige Mann möchte das, wissen Sie. In Indien habe ich ein bißchen Krieg, aber keineswegs in solchem großen Ausmaß, kennengelernt.«
»Für ein Vergnügen opfert ihr alles«, erwiderte Rebekka. »Hauptmann Crawley hat mich heute morgen so fröhlich verlassen, als ob er zu einer Jagdpartie gehen würde. Was kümmert er sich schon darum! Was kümmert sich überhaupt einer von euch Männern um die Qualen und den Kummer einer armen verlassenen Frau!« (Ich möchte wirklich wissen, ob er sich aufraffen würde, sich den Truppen anzuschließen, dieser große träge Schlemmer.) »Oh, lieber Mr. Sedley, ich komme, um bei Ihnen Trost zu suchen und Beistand. Den ganzen Morgen habe ich auf den Knien gelegen. Ich zittere, wenn ich an die furchtbare Gefahr denke, in die unsere Ehemänner, Freunde, unsere tapferen Truppen und Alliierten sich stürzen. Und ich komme hierher, um Schutz zu suchen, und finde einen meiner Freunde – den letzten, der mir geblieben ist – entschlossen, sich zu dem furchtbaren Kriegsschauplatz zu begeben!«
»Meine liebe gnädige Frau«, erwiderte Joe, der allmählich besänftigt wurde. »Haben Sie keine Angst. Ich sagte nur, daß ich gern dabeisein würde – und welcher Brite möchte das wohl nicht? Aber meine Pflicht hält mich hier zurück. Ich kann das arme Geschöpf nebenan nicht allein lassen.« Dabei deutete er mit dem Finger auf die Tür von Amelias Zimmer.
»Guter, edler Bruder!« sagte Rebekka und führte ihr Taschentuch an die Augen. Sie roch das Eau de Cologne, womit es parfümiert war. »Ich habe Ihnen unrecht getan: Sie haben ein Herz. Ich glaubte, Sie hätten keins.«
»Oh, bei meiner Ehre!« sagte Joseph und machte eine Bewegung, als wollte er die Hand auf die erwähnte Körperstelle legen. »Sie tun mir unrecht, ja, gewiß, das tun Sie – meine liebe Mrs. Crawley.«
»Ja, das stimmt, jetzt, wo Ihr Herz Ihrer Schwester so treu ist. Aber ich erinnere mich, vor zwei Jahren – als es so treulos mir gegenüber war!« sagte Rebekka, heftete ihre Augen eine Sekunde auf ihn und wandte sich dann zum Fenster.
Joe errötete heftig. Das Organ, das er nach Rebekkas Beschuldigung nicht hatte, fing an, heftig zu klopfen. Er rief sich die Tage ins Gedächtnis zurück, wo er ihr entflohen war, und die Leidenschaft, die ihn einst verzehrt hatte, die
Weitere Kostenlose Bücher