Jahrmarkt der Eitelkeit
komplizierten täglichen Toilette half, überlegte er, was er mit den Gegenständen anfangen würde, mit denen er im Augenblick die Person seines Herrn schmückte. Die silbernen Essenzfläschchen und den anderen Toilettentand würde er einer jungen Dame, die er liebte, schenken. Die englischen Messer dagegen und die große Rubinnadel wollte er selbst behalten. Die Nadel mußte sich auf einem der feinen Hemden mit Krause wunderschön ausnehmen. Zusammen mit der goldbebänderten Mütze und dem bordierten Rock, den er leicht für sich ändern lassen könnte, des Hauptmanns Spazierstock mit dem goldenen Knauf und dem großen doppelten Rubinring, aus dem sich zwei prachtvolle Ohrringe fertigen ließen, würde das seiner Meinung nach aus ihm einen vollkommenen Adonis machen und Mademoiselle Reine eine leichte Beute werden. Wie gut mir diese Manschettenknöpfe stehen werden, dachte er, als er ein Paar an den dicken, schwammigen Handgelenken von Mr. Sedley befestigte. Ich sehne mich nach Manschettenknöpfen. Und corbleu 2 , welches Aufsehen werden des Hauptmanns Stiefel nebenan mit den Messingsporen in der Allée-verte erregen! Während Monsieur Isidor mit seinen leibhaftigen Fingern die Nase seines Herrn hielt und Josephs untere Gesichtspartie rasierte, flog die Phantasie des Dieners der grünen Allee zu. Er sah sich schon im bordierten Rock mit Manschetten und Spitzen in Gesellschaft von Mademoiselle Reine. Im Geist schlenderte er am Kanal entlang und musterte die Barken, die im kühlen Schatten der Uferbäume langsam dahinfuhren, oder er erfrischte sich mit einem Krug Bier auf der Bank eines Gasthauses, unterwegs nach Laeken.
Aber zum Glück für Mr. Joseph Sedleys eigenen Frieden wußte er ebensowenig, was im Kopf seines Dieners vorging, wie der verehrte Leser und ich erraten können, was John oder Mary, die bei uns in Lohn und Brot stehen, von uns denken. Was unsere Dienstboten von uns denken! Wüßten wir, was unsere engsten Freunde und unsere lieben Verwandten von uns denken, so würden wir die Welt, in der wir leben, sehr gerne verlassen und befänden uns in einem Zustand ewigen Schreckens, der unerträglich wäre. Josephs Bedienter zeichnete also schon sein Opfer, wie man in der Leadenhall Street beobachten kann, wie ein Angestellter von Mr. Paynter eine ahnungslose Schildkröte mit einem Zettel ziert, worauf geschrieben steht: »Morgen zur Suppe«.
Amelias Zofe war viel weniger selbstsüchtig gesinnt. Diesem freundlichen, sanften Geschöpf konnten nur wenige Untergebene nahekommen, ohne ihr einen Tribut an Ergebenheit und Anhänglichkeit für ihr nettes und liebevolles Wesen zu zahlen. Und tatsächlich tröstete Pauline, die Köchin, ihre Gebieterin mehr als sonst jemand, den sie an diesem unglückseligen Morgen sah, denn als das ehrliche Mädchen bemerkte, daß Amelia noch stundenlang, nachdem die Bajonette der abmarschierenden Truppen verschwunden waren, starr und stumm und verstört am Fenster saß, von dem sie ihnen nachgeblickt hatte, ergriff sie die Hand der Dame und sagte: »Tenez, Madame, est-ce qu'il n'est pas aussi à l'armée, mon homme à moi?« 3 Sie brach in Tränen aus, und Amelia fiel ihr, ebenfalls weinend, in die Arme, und sie bemitleideten und trösteten sich gegenseitig.
Mehrmals im Laufe des Vormittags ging Mr. Josephs Isidor in die Stadt zu den Türen der Hotels und Pensionen rund um den Park, wo die Engländer zusammengekommen waren. Dort mischte er sich unter die anderen Kammerdiener, Kuriere und Lakaien, sammelte alle Neuigkeiten, die in Umlauf waren, und hinterbrachte die Berichte seinem Herrn. Fast alle diese Ehrenmänner standen innerlich auf der Seite des Kaisers und hatten ihre eigenen Ansichten über die baldige Beendigung des Feldzuges. Die Proklamation des Kaisers aus Avesnes 4 war in Brüssel überall in großen Mengen verbreitet worden. »Soldaten«, hieß es darin, »es ist der Jahrestag von Marengo 5 und Friedland 6 , an dem das Geschick Europas zweimal entschieden wurde. Damals, wie auch nach Austerlitz 7 und Wagram 8 , waren wir zu großmütig. Wir glaubten an die Schwüre und Versprechungen von Fürsten, die wir auf ihrem Thron beließen. Laßt uns noch einmal gegen sie marschieren. Wir und sie – sind es nicht immer noch dieselben? Soldaten! Dieselben Preußen, die jetzt so anmaßend sind, standen uns bei Jena 9 in dreifacher Überzahl und in Montmirail sogar in sechsfacher gegenüber. Diejenigen unter euch, die Gefangene in England waren, können ihren Kameraden
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