Jahrmarkt der Eitelkeit
Achtzehnten ruhmvoll gefallen sei. Es hieß sogar, daß er mitunter einige dieser Unteroffiziere zu einem Glas Porter einlud. Bei ihren ersten Sonntagsspaziergängen wollte er den kleinen George verwöhnen und stopfte den Jungen mit Äpfeln und Kuchen voll, sehr zum Nachteil seiner Gesundheit, bis Amelia erklärte, George dürfe nie wieder mit seinem Großpapa ausgehen, wenn dieser nicht feierlich gelobe, dem Kinde künftig keine Kuchen, Bonbons oder anderes Zeug von den Marktbuden zu geben.
Zwischen Mrs. Sedley und ihrer Tochter bestand eine gewisse Kälte und geheime Eifersucht wegen des Knaben, denn eines Abends – George war noch ganz klein – saß Amelia in ihrem Wohnzimmer an der Arbeit und bemerkte kaum, daß die alte Dame das Zimmer verlassen hatte. Plötzlich hörte sie den Knaben, der bis dahin geschlafen hatte, schreien, und sie rannte ahnungsvoll ins Kinderzimmer hinauf. Da ertappte sie Mrs. Sedley gerade dabei, wie sie dem Kind heimlich Daffys Elixier eingab. Amelia, sonst die sanfteste und mildeste aller Sterblichen, zitterte und bebte vor Zorn am ganzen Leibe, als sie diese Einmischung in ihre mütterliche Autorität wahrnahm. Ihre gewöhnlich blassen Wangen verfärbten sich, bis sie so rot waren wie damals, als sie zwölf Jahre alt war. Sie riß das Kind aus den Armen ihrer Mutter, griff nach der Flasche und ließ die alte Dame wütend und mit offenem Mund, den verbrecherischen Teelöffel in der Hand, stehen. Dann warf sie die Flasche in den Kamin, daß sie krachend zersprang. »Ich will mein Kind nicht vergiften lassen, Mama«, rief Emmy, wiegte den Säugling heftig in ihren Armen und blickte ihre Mutter mit funkelnden Augen an.
»Vergiften, Amelia!« sagte die alte Dame. »Diese Worte mir?«
»Er soll keine andere Medizin erhalten, als die, welche Doktor Pestler ihm schickt. Er erklärte mir, Daffys Elixier sei Gift.«
»Sehr gut, dann glaubst du also, ich sei eine Mörderin«, erwiderte Mrs. Sedley. »So redest du mit deiner Mutter? Ich habe Unglück gehabt, ich bin im Leben tief gesunken, ich hatte meinen eigenen Wagen und gehe jetzt zu Fuß, aber daß ich eine Mörderin bin, wußte ich noch nicht. Ich danke dir für die Mitteilung.«
»Mama«, sagte die arme Frau, die stets bereit war, in Tränen auszubrechen, »du sollst nicht hart gegen mich sein. Ich – habe nicht gemeint ... ich meine, ich wollte nicht sagen, daß du meinem lieben Kind Böses antun wolltest, nur ...«
»O nein, meine Liebe – nur daß ich eine Mörderin bin. Deshalb sollte ich wohl am besten ins Gefängnis gehen, obwohl ich dich, als du ein Kind warst, zwar nicht vergiftet, sondern dir die beste Erziehung und die kostspieligsten Lehrer gegeben habe, die man für Geld bekommen kann. Ja, ich habe fünf Kinder gesäugt und drei begraben, und das eine, das ich von allen am meisten geliebt habe und das ich bei der Bräune, beim Zahnen, bei den Masern und beim Keuchhusten gepflegt und ungeachtet der Kosten von ausländischen Lehrern und im Minerva-Haus habe erziehen lassen, sagt, ich sei eine Mörderin. Als ich Mädchen war, habe ich das alles nicht gehabt. Ich war froh, meinen Vater und meine Mutter zu ehren, damit ich lange auf Erden leben und mich nützlich machen könnte – und nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer sitzen und die feine Dame spielen würde. Eine Mörderin! Ach, Mrs. Osborne, ich wünsche nur, daß du nie eine Schlange an deinem Busen nähren mögest.«
»Mama! Mama!« rief die entsetzte junge Frau, während das Kind auf ihrem Arm in ein fürchterliches Geschrei ausbrach.
»Eine Mörderin, sehr gut! Fall auf die Knie nieder und bitte Gott, daß er dein böses, undankbares Herz reinigt, Amelia; er möge dir vergeben, wie ich es tue!« Hiermit eilte Mrs. Sedley aus dem Zimmer, während sie noch einmal das Wort Gift zischte, und beschloß so ihren liebevollen Segen.
Bis zum Ende ihres Lebens wurde dieser Bruch zwischen Mrs. Sedley und ihrer Tochter niemals völlig ausgeglichen. Der Streit bot der alten Dame unzählige Vorteile, die sie mit weiblicher Findigkeit und Ausdauer unfehlbar zu benutzen wußte. Wochenlang sprach sie zum Beispiel kein Wort mit Amelia. Sie warnte die Dienstboten, das Kind anzurühren, da es Mrs. Osborne übelnehmen könne. Sie forderte ihre Tochter auf, selbst nachzusehen und sich zu überzeugen, daß in der täglichen Nahrung, die für den kleinen Georgy zubereitet wurde, kein Gift sei. Wenn die Nachbarn sich nach der Gesundheit des Knaben erkundigten, verwies sie sie spitz an
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