Jahrmarkt der Eitelkeit
oder die Frau ihres Sohnes, Lady Mary Mango, gewesen wäre (die Tochter des Grafen Castlemouldy, die sich herabgelassen hatte, das Haupt der Firma zu heiraten), so hätten die Geschäftsleute der Nachbarschaft ihr nicht mehr Ehre erweisen können als der sanften jungen Witwe, wenn sie an ihren Türen vorüberging oder ihre bescheidenen Einkäufe in ihren Läden tätigte.
So kam es, daß nicht nur Mr. Pestler, der Arzt, sondern auch Mr. Linton, sein junger Assistent, der die Dienstmädchen und kleinen Geschäftsleute behandelte und den man täglich, die »Times« lesend, in der Apotheke sehen konnte, sich öffentlich als Mrs. Osbornes Sklaven erklärte. Er war ein ansehnlicher junger Mann, der in Mrs. Sedleys Haus willkommener war als sein Prinzipal. Wenn Georgy nicht ganz wohl war, kam er täglich ein paarmal, um nach ihm zu sehen, ohne auch nur einen Gedanken an Bezahlung. Er zweigte häufig Pastillen, Tamarinden und andere Dinge aus der Apotheke für den kleinen Georgy ab und mischte ihm Tränke und Mixturen von so wundervoller Süße, daß es dem Kinde geradezu ein Vergnügen war, krank zu sein. Als Georgy die Masern hatte, saßen er und sein Prinzipal Pestler in der gefährlichen entsetzlichen Woche zwei Nächte hindurch bei dem Knaben, und nach dem Schrecken der Mutter zu urteilen, hätte man glauben können, daß es Masern noch nie vorher in der Welt gegeben habe. Hätten sie für andere Leute ebensoviel getan? Hielten sie Nachtwachen bei den Leuten mit den Ananastreibhäusern, als Ralph Plantagenet, Gwendoline und Guinever Mango dieselbe Kinderkrankheit hatten? Wachten sie bei der kleinen Mary Clapp, der Tochter des Hauswirtes, die sich doch bei dem kleinen Georgy angesteckt hatte? Die Wahrheit zwingt uns, nein zu antworten! Sie schliefen ganz ruhig, zumindest bei Marys Masern – – bezeichneten ihren Fall als ganz leicht, der fast von selbst heilen würde, schicken ihr ein paar Tränke und taten, als sich das Kind wieder erholte, mit der größten Gleichgültigkeit und nur der Form halber Chinarinde hinein.
Dann war da noch der kleine französische Chevalier von gegenüber, der in mehreren Schulen der Nachbarschaft Unterricht in seiner Muttersprache erteilte und den man nachts in seinem Zimmer auf einer heiseren alten Geige zitternd alte Gavotten und Menuetts spielen hörte. Dieser gepuderte, höfliche Greis, der jeden Sonntag in die Kapelle von Hammersmith ging und sich in jeder Hinsicht – in Gedanken, Benehmen und Haltung – von den bärtigen Wilden seiner Nation unterschied, die heutzutage in den Quadrant-Arkaden das perfide Albion 3 beschimpfen und dich über ihre Zigarren hin finster anstarren – dieser alte Chevalier de Talonrouge pflegte, wenn er von Mrs. Osborne sprach, erst einmal eine Prise zu nehmen, die übriggebliebenen Stäubchen mit graziöser Handbewegung wegzuschnippen, die Finger wieder zusammenzulegen, sie an den Mund zu führen, sie mit einem Kuß auseinanderzublasen und auszurufen: »Ah, la divine créature!« 4 Er schwor und beteuerte, daß Blumen in reicher Fülle unter den Füßen Amelias hervorsprössen, wenn sie in den Straßen von Brompton wandele. Er nannte den kleinen Georgy Cupido und fragte ihn nach Venus 5 , seiner Mama. Der erstaunten Betty Flanagan erzählte er, Amelia sei eine der Grazien 6 und die Lieblingsdienerin der Reine des amours 7 .
Es ließen sich noch viele Beispiele dieser leicht erworbenen und Amelia unbewußten Beliebtheit anführen. Besuchte nicht Mr. Binny, der milde vornehme Pfarrer der Kapelle des Bezirks, in die die Familie ging, die Witwe eifrig? Ließ er nicht den kleinen Knaben auf seinen Knien reiten und erbot sich, ihn Latein zu lehren – zum Ärger der ältlichen Jungfrau, seiner Schwester, die ihm den Haushalt führte? »Es ist nichts an ihr, Beilby«, sagte sie stets. »Wenn sie zu uns zum Tee kommt, spricht sie den ganzen Abend kein Wort, sie ist ein armes, affektiertes Geschöpf und hat meiner Meinung nach überhaupt kein Herz. Es ist bloß das hübsche Gesicht, das ihr Männer so bewundert. Miss Grits, die fünftausend Pfund besitzt und noch mehr bekommen wird, hat doppelt soviel Charakter und ist für meinen Geschmack tausendmal angenehmer, und wenn sie nur etwas besser aussähe, würdest auch du sie gewiß für die Vollkommenheit selbst halten.«
Höchstwahrscheinlich hatte Miss Binny bis zu einem gewissen Grade recht. Es ist wirklich das hübsche Gesicht, das die Herzen der Männer, dieser bösen Schelme, gewinnt: eine Frau kann die
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