Jahrmarkt der Eitelkeit
auch seinen Freund begraben und alle Ausgaben, die durch das Unglück und die Heimreise der armen Amelia entstanden waren, beglichen.
Über diese Ausgaben nachzudenken, hatten sich weder der alte Herr noch ein anderer Verwandter Amelias, noch diese selbst sich die Mühe gemacht. Sie verließ sich auf Major Dobbin, ihren Buchhalter, nahm seine etwas konfusen Berechnungen als richtig hin und ahnte niemals, wie tief sie in seiner Schuld stand.
Zwei- oder dreimal jährlich schrieb sie ihm ihrem Versprechen gemäß nach Madras, Briefe, die von Anfang bis Ende von dem kleinen Georgy handelten. Wie er sie als seine teuersten Schätze betrachtete! Wenn Amelia schrieb, so antwortete er ihr, allerdings nur dann. Aber er sandte seinem Patenkind und ihr unzählige Andenken. Er schickte eine Schachtel mit Schärpen und einen großartigen Satz elfenbeinerner Schachfiguren, die er in China bestellt hatte. Die Bauern waren kleine, grünweiße Männer mit richtigen Schwertern und Schilden; die Springer saßen zu Pferde, die Türme wurden von Elefanten getragen. Die Figuren von Mrs. Mango von den Ananastreibhäusern seien nicht so schön, bemerkte Mr. Pestler. Dieses Schachspiel war das ganze Entzücken Georgys, der zum Dank dafür seinen ersten Brief an den Patenonkel zusammenbaute. Dobbin schickte auch Eingemachtes und Mixpickles. Das letztere probierte der Knabe heimlich auf der Anrichte und starb beinahe beim Kosten. Er glaubte, sie seien aus Strafe fürs Stehlen so scharf. Emmy schrieb dem Major einen drolligen Bericht über dieses Mißgeschick, und ihn freute es, zu sehen, daß sich ihr Gemüt erholte und sie jetzt zuweilen fröhlich sein konnte. Er schickte zwei Schals herüber, einen weißen für sie und einen schwarzen mit Palmblättern für ihre Mutter, und ein paar rote Schärpen für den alten Mr. Sedley und George zum Winter. Mrs. Sedley wußte, daß die Schals pro Stück mindestens fünfzig Guineen gekostet hatten. Sie trug ihren, wenn sie in vollem Staat nach Brompton zur Kirche ging, und ihre Freundinnen beglückwünschten sie zu der glänzenden Erwerbung. Auch Emmys paßte gut zu ihrem einfachen schwarzen Gewand.
»Wie schade, daß sie sich nichts aus ihm macht«, bemerkte Mrs. Sedley gegenüber Mrs. Clapp und allen ihren Freundinnen in Brompton. »Joseph hat uns nie solche Geschenke gemacht und gönnt uns nichts. Offensichtlich ist der Major bis über beide Ohren in sie verliebt; wenn ich es aber nur andeute, dann wird sie rot und fängt an zu weinen und geht hinauf und setzt sich mit ihrer Miniatur hin. Diese Miniatur hängt mir schon zum Hals heraus, ich wollte, wir hätten die abscheulichen geldprotzigen Osbornes nie zu Gesicht bekommen.«
In dieser bescheidenen Umgebung unter so einfachen Gefährten verging Georges frühe Kindheit, und der Knabe wuchs heran – zart, sensibel, tyrannisch, ein richtiges Muttersöhnchen. Er beherrschte seine sanfte Mutter, die er leidenschaftlich liebte, und regierte die ganze kleine ihn umgebende Welt. Als er größer wurde, nahmen die Älteren verwundert wahr, daß er sehr hochmütig war und seinem Vater immer ähnlicher wurde. Er fragte nach allem, wie es die wissensdurstige Jugend stets tut. Seine tiefsinnigen Bemerkungen und Fragen setzten den Großvater in Erstaunen, und der Alte langweilte den Wirtshausklub ständig mit Erzählungen von der Gescheitheit und Begabung seines Enkels. Seine Großmutter litt er mit großmütiger Gleichgültigkeit. Der kleine Kreis um ihn glaubte, daß ihm auf Erden kein Junge gleichkomme. Georgy hatte den väterlichen Stolz geerbt und glaubte wahrscheinlich, sie hätten nicht so ganz unrecht.
Als er ungefähr sechs Jahre alt war, begann Dobbin ihm häufig zu schreiben. Der Major wollte wissen, ob Georgy eine Schule besuche, und hoffte, daß er dort Ehre einlege – oder wolle er vielleicht einen guten Hauslehrer haben? Es wurde höchste Zeit, daß er anfing, etwas zu lernen, und sein Pate und Vormund deutete an, er hoffe, man werde ihn die Kosten der Erziehung des Knaben bestreiten lassen, da es der Mutter mit ihrem geringen Einkommen sehr schwerfallen würde. Mit einem Wort, der Major dachte stets an Amelia und ihren kleinen Jungen, und durch Vermittlung seines Beauftragten versorgte er ihn ständig mit Bilderbüchern, Tuschkästen, Schreibutensilien und allen möglichen belustigenden und belehrenden Dingen. Drei Tage vor Georges sechstem Geburtstag fuhr ein Herr in einem Einspänner, begleitet von einem Bedienten, an Mr. Sedleys Hause vor
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