Jahrmarkt der Eitelkeit
Mannes.
Als der alte Osborne zum erstenmal von seinem Freund Oberst Buckler hörte (wie der kleine Georgy bereits berichtete), was für ein ausgezeichneter Offizier Major Dobbin sei, bezeigte er sehr verächtlich seinen Unglauben und drückte sein Erstaunen aus, daß solch ein Kerl überhaupt Verstand oder Ruf besitzen könnte. Er hörte aber das Lob des Majors von verschiedenen Bekannten. Sir William Dobbin hegte eine hohe Meinung von seinem Sohn und erzählte viele Anekdoten, aus denen man entnehmen konnte, wie gelehrt, tapfer und angesehen der Major war. Schließlich erschien sein Name in der Besucherliste von ein paar großen Gesellschaften des Adels, und dieser Umstand machte einen ungeheuren Eindruck auf den alten Aristokraten vom Russell Square.
Die Stellung des Majors als Vormund von George, dessen Besitz an seinen Großvater übergegangen war, machte einige Zusammenkünfte zwischen den beiden Männern notwendig. Dabei fiel dem alten Osborne, der ein scharfsichtiger Geschäftsmann war, einmal etwas auf, was ihn sehr stutzig machte und ihn zugleich peinigte und erfreute. Als er nämlich die Rechnungsbücher des Majors für sein Mündel und die Mutter des Knaben durchsah, bemerkte er, daß ein Teil des Geldes, von dem die arme Witwe mit ihrem Kind gelebt hatte, aus Dobbins eigener Tasche gekommen war.
Er drängte Dobbin um Aufschluß, und der Major errötete und stotterte sehr, aber legte endlich doch ein volles Bekenntnis ab, denn er konnte ja nicht lügen. »Die Heirat«, sagte er (dabei verfinsterte sich das Gesicht seines Gegenübers) »war hauptsächlich mein Werk. Ich glaubte, mein armer Freund sei so weit gegangen, daß ein Lösen der Verlobung Ehrlosigkeit für ihn bedeutet hätte und für Mrs. Osborne den Tod. Und ich konnte, als sie ganz mittellos zurückblieb, nichts anderes tun, als ihr soviel Geld, wie mir entbehrlich war, zur Unterstützung zu geben.«
»Major Dobbin«, sagte Mr. Osborne, blickte ihn fest an und wurde ebenfalls rot, »Sie haben mich tief verletzt, aber erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Sie ein ehrlicher Kerl sind. Hier ist meine Hand; es wäre mir wirklich nie in den Sinn gekommen, daß mein eigen Fleisch und Blut auf Ihre Kosten gelebt hat.« Die beiden schüttelten sich die Hände, und Major Dobbin war sehr verwirrt, daß auf diese Art seine barmherzige Heuchelei entdeckt worden war.
Er bemühte sich, den alten Mann zu erweichen und ihn mit dem Andenken seines Sohnes auszusöhnen. »Er war so ein feiner Kerl«, sagte er, »daß wir ihn alle liebten und alles für ihn getan hätten. Ich war damals noch ein junger Mann und war ungeheuer geschmeichelt, daß er mich so vorzog. Ich fand mehr Vergnügen daran, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden als in der des Oberkommandierenden. Ich kenne niemanden, der ihm an Mut, Tollkühnheit und anderen guten Soldateneigenschaften gleichkommt.« Und Dobbin erzählte nun dem alten Vater alle Geschichten, an die er sich noch entsinnen konnte, von der Tapferkeit und den Talenten seines Sohnes. »Georgy ist ihm so ähnlich«, fügte der Major hinzu.
»Er ist ihm so ähnlich, daß ich manchmal zittere«, sagte der Großvater.
Ein paarmal kam der Major zu Mr. Osborne zum Diner (es war während Mr. Sedleys Krankheit), und als die beiden nach dem Essen beisammensaßen, unterhielten sie sich nur von dem dahingegangenen Helden. Der Vater prahlte nach seiner Gewohnheit mit ihm und verherrlichte sich selbst durch die Erzählung von den Ruhmestaten und der Tapferkeit seines Sohnes. Seine Stimmung in bezug auf den armen Kerl war jetzt jedenfalls besser und liebevoller als bisher, und das christliche Herz des guten Majors freute sich über diese Anzeichen zurückkehrenden Friedens und Wohlwollens. Am zweiten Abend nannte ihn der alte Osborne »William«, gerade wie zu jener Zeit, als Dobbin und George noch als Knaben zusammen gewesen waren, und der ehrliche Major war von diesem Zeichen der Aussöhnung ergriffen.
Als am nächsten Morgen beim Frühstück Miss Osborne mit der Verbissenheit ihres Alters und Charakters sich geringschätzig über Aussehen und Benehmen des Majors zu äußern versuchte, unterbrach sie der Herr des Hauses: »Du wärst recht froh gewesen, wenn du ihn für dich bekommen hättest, Miss O.; aber diese Trauben sind zu sauer. Haha! Major William ist ein feiner Kerl.«
»Das stimmt, Großpapa«, sagte Georgy beifällig, trat dicht an den alten Herrn heran, faßte ihn, gutmütig lachend, an seinem langen, grauen Backenbart
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