Jahrmarkt der Eitelkeit
Sonntagabend, dieselbe Oper, die immer und immer wieder aufgeführt wurde. Becky starb fast vor Langeweile, als glücklicherweise der junge Mr. Eagles von Cambridge kam, und sobald seine Mutter bemerkte, welchen Eindruck ihre kleine Freundin auf ihn machte, entließ sie Becky sofort.
Nun versuchte sie zusammen mit einer Freundin zu wirtschaften. Aber dieser gemeinsame Haushalt zankte sich bald und geriet in Schulden. Dann entschloß sie sich, in einer Pension zu leben, und blieb eine Weile in dem berühmten Haus der Madame de Saint-Amour in der Rue Royal in Paris, wo sie ihre Reize auf schäbige Stutzer und schlampige Schönheiten verschwendete, die die Salons ihrer Wirtin besuchten. Becky liebte Gesellschaft und konnte ohne sie ebensowenig existieren wie ein Opiumesser ohne seinen Stoff. Während ihres Pensionslebens war sie einigermaßen glücklich. »Die Frauen hier sind ebenso unterhaltend wie die in Mayfair«, erzählte sie einer alten Londoner Freundin, die sie besuchte, »nur ihre Kleider sind nicht ganz so neu. Die Männer tragen gereinigte Handschuhe und sind traurige Schelme, aber sie sind nicht schlechter als Jack Dings und Tom Bums. Die Wirtin ist zwar etwas ordinär, aber ich glaube, nicht so ordinär wie Lady ...« Hier nannte sie den Namen einer großen Dame der feinen Welt, den ich für mich behalten werde, und sollte es mir das Leben kosten. Wenn abends Madame de Saint-Amours Salon erleuchtet war und man die Männer mit Orden und Bändern an den Ecartétischen sitzen sah und die Damen in gewisser Entfernung bemerkte, konnte man sich wirklich für kurze Zeit einbilden, in guter Gesellschaft zu sein, und meinte, Madame sei eine echte Gräfin. Viele Leute glaubten das, und Becky war für eine geraume Zeit eine der elegantesten Damen in den Salons der Gräfin.
Wahrscheinlich machten sie aber hier ihre alten Gläubiger von 1815 ausfindig und bewirkten, daß sie Paris verließ, denn die arme kleine Frau mußte plötzlich aus der Stadt fliehen und ging nun nach Brüssel.
Wie gut sie sich doch an diesen Ort erinnerte! Sie lächelte, als sie zu dem kleinen Zwischengeschoß hinaufblickte, das sie einst bewohnt hatte, und an die Familie Bareacres dachte, die nach Pferden und Flucht schrie, als ihr Wagen schon in der Einfahrt des Hotels stand. Sie fuhr nach Waterloo und Laeken, wo George Osbornes Grabdenkmal sie sehr beeindruckte. Sie machte eine kleine Skizze davon. »Der arme Kupido!« sagte sie. »Wie schrecklich verliebt war er doch in mich, und was für ein Narr war er! Ich möchte wissen, ob die kleine Emmy noch lebt. Sie war ein gutes Geschöpfchen; und ihr dicker Bruder! Ich habe das ulkige Bild von dem Dicken noch unter meinen Papieren. Es waren gute, einfache Leute!«
In Brüssel empfahl Madame de Saint-Amour Becky ihrer Freundin, der Gräfin Borodino, Witwe von Napoleons berühmtem General Graf Borodino, die der dahingeschiedene Held bis auf eine Table d'hôte und einen Ecartétisch mittellos zurückgelassen hatte. Zweitrangige Stutzer und Müßiggänger, ewig prozessierende vornehme Witwen und sehr einfältige Engländer, die sich einbilden, in solchen Häusern die »Gesellschaft des Kontinents« zu finden, setzten ihr Geld auf Madame de Borodinos Tischen oder speisten daran. An der Table d'hôte bewirteten die galanten jungen Burschen die ganze Gesellschaft mit Champagner, ritten mit den Frauen aus oder mieteten Pferde für ländliche Ausflüge, legten Geld zusammen, um Logen fürs Theater oder für die Oper zu nehmen, wetteten über die schönen Schultern der Damen hinweg am Ecartétisch und schrieben an ihre Eltern in Devonshire über ihre glückliche Einführung in die ausländische Gesellschaft.
Hier wie in Paris war Becky die Königin, und sie regierte in den auserlesenen Pensionen. Sie lehnte weder Champagner ab noch Blumen, weder Ausflüge aufs Land noch Privatlogen, aber am liebsten war sie abends beim Ecarté – und sie spielte kühn. Anfangs setzte sie nur wenig, dann Fünffrancsstücke, dann Napoleons, dann Banknoten, dann konnte sie die Pension für den Monat nicht mehr bezahlen, dann borgte sie bei den jungen Herren, dann hatte sie wieder Geld und tyrannisierte Madame de Borodino, die sie vorher umschmeichelt und beschwatzt hatte, dann spielte sie um bloße zehn Sous und war wieder in entsetzliche Armut geraten, dann kam ihre vierteljährliche Rente, und sie bezahlte Madame de Borodinos Rechnung, und dann griff sie wieder zu den Karten und spielte gegen Monsieur de Rossignol oder
Weitere Kostenlose Bücher