Jahrmarkt der Eitelkeit
übersehen wollte. Es war am Morgen von Waterloo, als die jungen Männer im Regen in vorderster Linie beisammenstanden und auf die dunkle Masse der Franzosen blickten, die auf den gegenüberliegenden Höhen lagen. »Ich bin in eine dumme Geschichte mit einer Frau geraten«, sagte George. »Ich bin froh, daß wir abmarschiert sind. Wenn ich falle, hoffe ich, daß Emmy nie etwas von der Sache erfährt. Bei Gott, ich wünschte, ich hätte niemals damit angefangen.« William freute sich darüber und besänftigte auch die Witwe des armen George häufig damit, daß Osborne am Tage, nachdem er seine Frau zurückgelassen hatte, gleich nach dem Gefecht von Quatre-Bras mit seinem Kameraden ernst und liebevoll von seinem Vater und seiner Frau gesprochen habe. Das hatte William auch immer wieder in seinen Gesprächen mit dem älteren Osborne betont, und deshalb war es ihm wohl auch gelungen, den Alten noch kurz vor seinem Ende mit dem Andenken seines Sohnes zu versöhnen.
So betreibt diese Teufelin also immer noch ihre Machenschaften, dachte William, wäre sie doch nur hundert Meilen weit weg. Wohin sie auch kommt – sie bringt nur Unheil mit. Er brütete noch weiter über diesen Ahnungen und unangenehmen Gedanken, den Kopf zwischen den Händen und die »Pumpernickeler Zeitung« von der vergangenen Woche ungelesen vor der Nase, als jemand ihm mit dem Sonnenschirm an die Schulter tippte. Er sah auf und erblickte Mrs. Amelia.
Mrs. Osborne tyrannisierte Dobbin auf ihre Weise, denn auch die Schwächsten beherrschen gern andere. Sie kommandierte ihn herum, gab ihm einen Klaps und ließ ihn apportieren, gerade als ob er ein großer Neufundländer wäre. Wenn sie nach ihm rief, so sprang er sozusagen gern ins Wasser und trottete mit ihrem Strickbeutel im Maul hinter ihr her. Diese Geschichte hat ihren Zweck fast verfehlt, wenn der Leser noch nicht gemerkt hat, daß der Major ein verliebter Tropf war.
»Warum haben Sie nicht auf mich gewartet und mich die Treppe hinabbegleitet?« fragte sie, warf das Köpfchen in den Nacken und machte einen höchst spöttischen Knicks.
»Ich konnte in dem Gang nicht aufrecht stehen«, erwiderte er mit komisch-bittendem Blick, und erfreut, ihr den Arm reichen und sie aus dem dumpfen, verqualmten Raum fortführen zu können, wäre er ohne einen Gedanken an den Kellner davongegangen, aber der junge Bursche lief ihm nach und hielt ihn auf der Schwelle vom »Elefanten« zurück, um ihn zur Bezahlung des Biers aufzufordern, das er gar nicht getrunken hatte. Emmy lachte. Sie nannte ihn einen bösen Mann und machte noch ein paar Witze, die zu der Gelegenheit und zu dem Dünnbier paßten. Sie war bester Laune und trippelte eiligst über den Marktplatz. Sie sagte, sie müsse Joseph augenblicklich sehen. Der Major lachte über die ungestüme Liebe von Mrs. Amelia, da es sonst nicht oft vorkam, daß sie ihren Bruder »augenblicklich« sehen mußte.
Sie fanden den Zivilisten in seinem Salon im ersten Stock. Während der letzten Stunde war er mindestens hundertmal in seinem Zimmer auf und ab gegangen, hatte an den Nägel gekaut und über den Marktplatz zum »Elefanten« geblickt, zur gleichen Zeit, als Emmy mit ihrer Freundin in der Dachkammer die Unterredung hatte und der Major unten im Gastzimmer auf dem schmutzigen Tisch herumtrommelte. Auch er war sehr begierig, Mrs. Osborne zu sehen.
»Nun?« meinte er.
»Das arme gute Geschöpf! Wie hat sie gelitten!« sagte Emmy.
»Gott behüte mich, jawohl«, sagte Joseph und wackelte mit dem Kopf, daß seine Wangen wie Gelee zitterten.
»Sie kann das Zimmer der Payne haben, die muß dann höher hinaufziehen«, fuhr Emmy fort. Die Payne war eine gesetzte englische Zofe und Mrs. Osbornes persönliche Dienerin. Der Reisediener machte ihr den Hof, wie es seine Stellung verlangte, und Georgy trieb seinen Schabernack mit ihr und erzählte ihr von deutschen Räubern und Gespenstern. Sie verbrachte ihre Zeit hauptsächlich damit, zu murren, ihre Herrin herumzukommandieren und ihre Absicht kundzutun, am nächsten Morgen in ihr Heimatdorf, nach Clapham, zurückzukehren. »Sie kann das Zimmer der Payne haben«, sagte Emmy.
»Wie, Sie wollen doch damit nicht etwa sagen, daß Sie das Weib im Hause haben wollen?« platzte der Major heraus und sprang auf.
»Natürlich, das wollen wir«, entgegnete Amelia mit der unschuldigsten Miene der Welt. »Bitte, regen Sie sich nicht auf und machen die Möbel kaputt, Major Dobbin. Natürlich soll sie hierherkommen.«
»Natürlich, meine
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