Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Freund von Dr. Levi und Priester der Kapelle, sie willkommen hieß.
Es war Ain Tabigha und die Kapelle die Kirche der Brotlaibe und Fische. Sie erhielten die Erlaubnis, die Wohnwagen unten am See im Hain zu parken, und errichteten ein Lager. Dr. Levi schickte Ben-Isaak nach Norden auf eine Mission, über die er nicht sprach. Der Junge benutzte einen Jeep. Er freute sich auf die Fahrt, war aufgeregt und fuhr unmittelbar nach dem Abendessen ab.
Dr. Levi sagte zu Hannah: «Vielleicht müssen wir ein paar Tage hierbleiben, bis ich sicher bin, daß wir ohne Gefahr weiterfahren können. Sie müssen leider wieder warten. Macht es Ihnen etwas aus?»
Hannah erwiderte: «Nein, hier ist es friedlich.»
Doch Sears war beunruhigt und ungeduldig über diese abermalige Verzögerung und versuchte, Dr. Levi zur Rechenschaft zu ziehen. Er sagte: «Was gibt es nun schon wieder? Wo ist Ben-Isaak hingefahren? Weshalb bin ich nicht unterrichtet worden?»
Dr. Levi saß auf den Stufen des Wohnwagens, schmauchte seine Pfeife und schaute hinaus über die Weite des harfenförmigen Sees. Er wandte sich Sears zu.
«Haben Sie Geduld. Sie brauchen nichts zu fürchten. Am Ende werde ich mein Unternehmen ausführen, wie ich es versprochen habe.»
Erbittert sagte Sears: «Ich traue Ihnen nicht, Dr. Levi.»
«Das ist begreiflich. Aber Sie müßten Ben-Isaak trauen, denn Sie wissen, daß er Miss Bascombe von ganzem Herzen liebt.»
Wie gewöhnlich fühlte sich Sears niedergeschlagen, besiegt und hilflos. Er überlegte, ob er mit Clary über seine Befürchtungen reden solle, schob den Gedanken jedoch als nutzlos beiseite. Seit sich Dr. Levi bei ihnen befand, wich auch sie ihm aus. Er wurde sich nun klar, daß er keinerlei Einfluß mehr auf sie besaß.
Galiläa sprach Hannah sehr an und bewegte sie schließlich noch mehr, als es Nazareth getan hatte, denn nirgends war die Heilige Schrift so genau und lebendig, als wenn sie sich mit den Ereignissen vor zweitausend Jahren an den Ufern dieses reizvollen und dramatischen Wassers beschäftigte.
Noch immer warfen die Fischer hier die Netze von Hand über den Bootsrand, wie es Petrus und Andreas getan hatten, bis der beredte und sanfte Mann von den Bergen zu ihnen herabkam und ihre einfachen Seelen bezauberte und in Besitz nahm, um sie zu Menschenfischern zu machen.
Und wenn sich das Äußere der Landschaft auch verändert hatte und die geschäftigen Städte und Dörfer, die einst rund um den See her blühten, unter den Bodenschichten der Zeit verschwunden waren, so war doch die Uferlinie, bedeckt mit Millionen von winzigen, erlesenen Muscheln, von Binsen, Wassergräsern und Sumpfpflanzen, noch die gleiche; und auch das Massiv der Berge, die den See umgeben, hatte sich seit der Zeit, da Jesus es kannte, nicht gewandelt.
Er hatte die gleiche sonnenwarme Luft geatmet, die würzig nach den schönsten Pflanzen und Blumen duftete. Seine Augen hatten liebevoll und dankbar auf der ruhigen Szene des blauen Wassers und der der braunen, staubbedeckten Hügel und Felsen geruht. Seine Füße hatten auf die Vorläufer der gleichen Muscheln getreten, die am Ufer verstreut lagen. Es war unmöglich, diesen Pfaden zu folgen, ohne sich seiner bewußt zu werden. Hannah ging stundenlang spazieren, oft ohne ein Wort zu sprechen, nur von Dr. Levi begleitet; sie suchte die Stätten auf, wo sie sich Ihm näher fühlen konnte...
Überall an dem kahlen Ufer begegneten sie geschwärzten Ruinen längst begrabener Städte, von denen ein Mauerstück, ein Pfeiler oder der Giebel eines Tempels aus dem struppigen Stechginster ragte, oder sie stießen auf die bedeutungsvollen Erdhügel, die auf ein Dorf oder eine Karawanserei hinwiesen — vielleicht hatte hier Markus an seinem Zolltisch gesessen, vielleicht war Jesu Fuß hier gegangen und seine Stimme erklungen, oder die Menge, die ihm folgte, wohin er sich auch wandte, war vorübergezogen.
Bisweilen blieb Hannah stehen und wollte diese Stätten nur schweigend betrachten. Dann wieder ließ sie sich von Dr. Levi beschreiben, wie sie einst gewesen waren: geschäftige Mittelpunkte des Handels und Lebens zu einer Zeit, als der ganze See von bewaldeten statt von kahlen Hügeln umgeben war und die Ebene Genezareth ein einziger riesiger Blütengarten, der das ganze Gebiet mit dem Duft von Zitronen- und Orangenbäumen, Mimosen und Eukalyptus, Brunnenkresse und Persischem Flieder, Hibiskus, Oleander und Geißblatt erfüllte.
Damals hatten neun Städte den See umringt, und nun sah man
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