Jahrmarkt der Unsterblichkeit
haben , ! von denen Hannah nicht wußte, daß sie sie besaß.
«Ja?»
Sie sahen sich an, und die Luft zwischen ihnen war erfüllt von der Menschlichkeit und dem Mitleid des alten Mannes und von Hannahs Bedürfnis nach Hilfe.
«Hallo! Miss Bascombe! Dr. Levi!» $
Sears’ Ruf aus der Tiefe des Zypressenhains zerstörte den Augenblick. «Hallo! Ich habe Sie gesucht.» Er kam rasch auf sie zu. Er hielt! eine Reihe von Telegrammen in der Hand und übergab sie Miss Bascombe.
«Sie sind vor einer Stunde aus San Francisco für Sie angekommen —B riefpost übrigens auch. Miss Adams sagte, es sei dringend, daß Sie sie sofort erhielten. Deshalb erbot ich mich, Sie zu suchen.»
Sie nahm die Mitteilungen und überflog sie. Sears beobachtete, wie die grimmigen Züge der Geschäftsfrau auf ihr Gesicht zurückkehrten — das Hartwerden der Augen, das Erstarren des dünnlippigen Mundes.
Sie fragte: «Gibt es in Ain Tabigha ein Telefon?»
«Ja. Clary hat bereits ein Gespräch mit Ihrem Büro in San Francisco angemeldet. Sie erwartet die Verbindung in etwa einer Stunde.»
Hannah wandte sich Dr. Levi zu, und es war, als spräche sie mit einem Fremden. «Geschäftliche Angelegenheiten, Doktor Levi. Ich habe mich allzulange nicht um mein Büro gekümmert. Ich muß sofort nach Ain Tabigha und diese Telegramme beantworten.»
Er nickte ernst. «Ja, das müssen Sie.»
Sie verließen den Hain. Sears sagte zu Dr. Levi: «Eben ist ein junger Amerikaner in einem Jeep angekommen. Er heißt Ed Avery. Er brachte für Sie eine Nachricht von Ben-Isaak.»
Dr. Levi nickte abermals. «Ach ja, das bedeutet, daß sie bereit sind. Wir können morgen nach Norden reisen.» Dann wanderte er schweigend weiter, den massigen Kopf auf die Brust gesenkt. Sears hätte am liebsten laut gejubelt. Zum erstenmal wirkte Dr. Levi deprimiert und niedergeschlagen. Er, Sears, hatte recht gehabt mit seiner Ahnung, als er diese Nachrichten brachte — es waren die Nervenenden von Hannahs finanziellem Reich, Rufe aus ihrem vergangenen Leben — und deshalb hatte er sich so sehr damit beeilt. Er war gerade zur Zeit gekommen, um Dr. Levi etwas zu verderben. Solange die Gier noch in Hannahs Augen und die Kälte und Härte auf ihren Mund zurückkehren konnte, * war das Spiel für Joseph Deuell Sears nicht verloren.
21
Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus eurem Leibe und ein fleischernes Herz geben.
HESEKIEL 11, 19
Eine Woche später lenkte Sears einen Jeep, und Clary saß neben ihm. Sie fuhren hinter dem andern Jeep her, den der junge Amerikaner Ed Avery lenkte und in dem Hannah Bascombe und Dr. Levi saßen. Es war früh am Morgen und noch dunkel. Gewissermaßen als Deckung, um eine Tätigkeit vorzutäuschen, hatten sie in Metulla die Personen-, Wohnwagen und die Angestellten zurückgelassen. Nun befanden sie sich auf dem Weg nach Dan.
Avery, ein starker, stämmiger Bursche, in den unvermeidlichen Shorts und dem Hemd aus Khaki, dazu einer Baseballmütze, kam aus einem nahe gelegenen Kibbuz, wo eine Reihe von Amerikanern moderne Methoden und amerikanische Maschinen für die Landwirtschaft einführten und einen großen Landstreifen, der sich über mehrere Hügel erstreckte, urbar machten.
Dieser junge Mann war es, der plötzlich in Ain Tabigha mit einem Jeep erschienen war und von Ben-Isaak die Nachricht überbracht hatte, daß alles für die Expedition bereit sei. Er wußte natürlich, wer Hannah Bascombe war, und begegnete ihr mit freimütigem und offenem Interesse. Als sie ihr Erstaunen darüber äußerte, hier einen Amerikaner zu treffen, und ihn ausfragte, sagte er: «Ich bin schon im Krieg hier gewesen, Madam, und habe mir damals vorgenommen zurückzukehren, wenn er vorüber sein würde.» Er umfaßte mit einer Armbewegung den Horizont und die fernen Berge. «Hier hat man noch Raum, die Arme auszustrecken», erklärte er. Es stellte sich heraus, daß er die Landwirtschaftliche Fakultät der Stanford University besucht hatte. Er fuhr fort: «Unsere Familie hat immer ein bißchen zu den Pionieren gehört.»
Hannah fragte: «Gibt es viele junge Männer wie Sie in Amerika?»
Avery erwiderte fröhlich: «Teufel, ja, Madam, nur jetzt haben sie sich über die ganze Welt zerstreut. Die meisten haben im Krieg irgendeinen Platz gesehen, wo sie glaubten, daß sich eine kleine Unternehmung auszahlen würde und ein Bursche vorwärtskommen könnte — und da stecken sie nun.»
Hannah schien das zu freuen, und sie bemerkte: «Aber Sie sind doch kein Jude...»
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