Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Darauf entgegnete Avery einigermaßen überrascht: «Was hat denn das damit zu tun? Es ist ein feines Land mit einer Masse feiner Menschen.»
Ben-Isaak befand sich nicht in Metulla, als sie dort eintrafen, und Sears tappte ebenso im dunkeln über seinen Aufenthaltsort wie die andern. Avery hatte lediglich gesagt: «Meine Instruktionen lauten, nicht zu reden. Ich bringe Sie zu ihm, sobald Sie bereit zum Aufbruch sind.»
Und anscheinend war dieser Augenblick nun gekommen — Avery saß als zeitweiliger Führer im ersten Jeep.
Sears war froh, Clary bei sich zu haben. Seit jenem Tag in Haifa, als er von seinem Ausflug nach Tel Aviv zurückkehrte, waren sie das erste Mal allein. Trotzdem klang es aggressiv, als er nun das Wort an sie richtete.
Sie waren von Metulla ein Stück nach Süden zurück durch das Tal des Hulehsees gefahren und hatten sich dann ostwärts nach Dan gewendet. Wie immer bewegten die runden Hügel, die Nähe des Himmels, die Beweise vom tapferen Kampf, das Land zu kultivieren, die Bäume und die Felder das Mädchen, und sie schaute mit leuchtenden Augen nach dem Reichtum, der sich vor ihr ausbreitete, als sie in die Landschaft einfuhren, die von der Natur bewässert wurde. Sears beugte sich vom Lenkrad zu ihr hinüber und fragte: «Du fühlst dich hier recht wohl, nicht wahr?»
Clary wandte sich ihm zu und blickte den Mann an, mit dem sie so lange eine erbitterte Fehde geführt hatte. Sears trug lange Khakihosen, ein Khakihemd mit offenem Kragen und eine alte Feldmütze, die er bis auf die Augen heruntergezogen hatte. Sie fand, daß er mit dem Ablegen seiner städtischen Kleidung einen Teil seiner trügerischen Glätte abgestreift hatte und jünger aussah; überdies wirkte er jetzt irgendwie verloren, und das bewegte ihr Herz auf seltsame Weise.
Noch während Clary nach einer Antwort suchte, wunderte sie sich darüber und meinte, es liege wohl daran, daß er ein Schurke sei, dessen Spiel irgendwie schiefgegangen war, und daß ein Übeltäter, dessen sorgfältig aufgebauter Plan sich plötzlich als Fehlschlag erweist, immer etwas Rührendes an sich habe. Alle Männer, besonders jedoch die weniger moralischen, sahen hilflos und mitleiderregend aus, wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie sie geplant hatten.
Sie sagte ernst: «Es stimmt, Joe. Ich fühle mich glücklicher und friedlicher als je. Es ist so schön hier.»
Sears erwiderte: «Ach, hör damit auf, Clary. Ich habe nicht von der Szenerie gesprochen. Du glaubst, ich bin am Ende. Dein kostbarer Ben-Isaak und sein Onkel haben die Führung übernommen. Du bist all deine Schwierigkeiten los und sitzt auf dem Gipfel der Welt. Doch eins will ich dir noch sagen, ehe du mit fliegenden Fahnen zu den beiden übergehst — sieh dich vor. Ich bin nämlich noch lange nicht am Ende.»
Clary nickte, doch das Herz tat ihr weh bei der Schwäche, die dieser Mann zeigte. Aber sie wollte darüber hinwegsehen und sagte deshalb nur: «Ich bin glücklich, aber nicht aus diesem Grunde.» Dann fuhr sie, um ihn aufzuheitern, mit einem fast schelmischen Lächeln fort: «Ist es nicht merkwürdig, daß ich dies alles dir verdanke?»
«Mir?» Nun war er an der Reihe, sie anzustarren; und abermals fiel ihm ihre Schönheit auf und machte ihn fast betroffen. Sie war nicht mehr so überschlank, und die Sonne hatte sie braun gebrannt und ihrem Haar einen neuen Glanz verliehen. Ihre Veilchenaugen und das sensible Oval ihres Gesichts waren von einer fast unerträglichen reizvollen Lieblichkeit. Der von der Sonne erwärmte feminine Duft drang zu ihm herüber und erfüllte ihn mit einem geheimen Verlangen. Das Krankhafte, die ungesunde Resignation, die ihn so sehr abgestoßen hatten, waren nahezu verschwunden. Es war eine Frau, die jetzt neben ihm saß.
Clary sprach weiter: «Doch, es stimmt. Wärest du nicht gewesen, wäre ich niemals hierhergekommen. Ich hätte den Rest meines Lebens voller Furcht bei Hannah verbracht. Du hast mich gelehrt, keine Angst zu haben, auch wenn das Schlimmste geschähe, nicht wahr?»
Sears sagte zynisch: «Ich hoffe, daß du dich entsprechend dankbar zeigst.»
Clary fragte: «Warum bist du so gehässig, Joe? Fühlst du dich nicht auch wohl, wenn du siehst, wie es grün wird, und wenn du weißt, daß dieses Land, das auf den Tod krank gewesen ist, zum Leben zurückkehrt? Rührt dich keiner der Orte an, denen du hier begegnet bist?»
Sears erwiderte kurz: «Zufällig bin ich nicht sentimental, Schwester.» Darauf fragte er: «Was ist mit Hannah
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