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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Verlaufs beobachtete Sears mit den Augen, mit seinem wachen, ganz neu geschärften Geist, mit den Poren seiner Haut und den empfänglichen Sinnen alles, was geschah, und lauerte auf irgendeinen Hinweis.
    Er sah und fühlte viele Dinge. Er bemerkte, daß Hannah die Augen nicht von dem blauglasierten Tiegel zu wenden vermochte und daß ihm ihr Blick, sobald Barzillai seine Worte mit einer Geste unterstrich und sich das Gefäß in seinen Händen bewegte, folgte wie der einer Katze, die einem Vogel oder sonst einem sich bewegenden Tier auflauert.
    Mehrmals schaute Barzillai beim Sprechen auf Hannah hinab, und dann erhielt der Ausdruck seiner Augen etwas Rührendes; hin und wieder ruhte sein Blick auch auf Sears.
    Doch am seltsamsten war der Zug auf dem Gesicht von Dr. Nathanael Levi, während er dem zuhörte, was der Älteste sagte. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Verlegenheit und Überraschung, doch auch — darauf hätte Sears schwören mögen — eine Spur von Belustigung. Mehrmals blickte der Doktor von Barzillai zu Sears hinüber, als ob er etwas höre, was er nicht glauben konnte.
    Endlich beendete Barzillai seine Ansprache und neigte den Kopf vor Dr. Levi in einer Verbeugung, die voller Charme und Würde war. Es dauerte mehrere Sekunden, bis Hannah zu bemerken schien, daß er nicht mehr redete. Dann wandte sie sich an Dr. Levi.
    «Rasch! Was hat er gesagt? Übersetzen Sie es mir sofort!»
    Dr. Levi schaute auf sie und Sears, als wisse er nicht recht, wie er anfangen solle. Dann erwiderte er Barzillais Verneigung und begann zu sprechen: «Barzillai sagte, er halte in seiner Hand die Substanz, die seit Zeiten, weit über die Erinnerung des Menschen hinaus, dazu gedient hat, die Ziele des Todesengels zu vereiteln. Es ist die Frucht vom Baum des Lebens...»
    Hannah atmete abermals hörbar ein.
    «Die Frucht vom Baum des Lebens ist das Geschenk des Herrn an die Nachkommen der Kinder, die er aus dem Paradies vertrieb. Sie ist bestimmt für die Unschuldigen, denen die Sünden ihrer Väter vergeben werden, vorausgesetzt, daß sie selber nicht wieder sündigen. Jedes dritte Jahr wird die kleine und kostbare Ernte der Frucht vom Baum des Lebens eingebracht und vorbereitet. Am siebenten Abend des neuen Mondes treten die Ältesten zu einer Ratssitzung zusammen, um zu entscheiden, wer unter den Dorfbewohnern des Geschenkes Gottes würdig sei. Sie sind heute abend zusammengetreten. Und sie haben entschieden.»
    Sears dachte bei sich: Noch ein Wort, und ich weiß es — Millionär oder Habenichts!
    In der Stille hörte er Hannahs heiseres, durchdringendes Flüstern: «Wer?»
    Und nun stammelte Dr. Levi und schien vergeblich nach Worten zu suchen. Er schaute erst auf Barzillai, dann auf die sitzenden Ältesten, auf Hannah und Sears, ehe er weitersprach. Schließlich sagte er bedächtig:
    «Sie haben ihre Entscheidung getroffen. Sie erklären, daß Sie, Miss Bascombe, ihrem bescheidenen Dorf große Ehre erwiesen hätten, als Sie es besuchten, und daß Sie weit gereist seien. Weiterhin seien Sie eine sehr bedeutende Persönlichkeit in Ihrem Land, alt, verehrungswürdig und hoch geachtet, und die Dörfler hätten Ihnen nur geringe Gastfreundschaft erweisen können und Ihnen nichts anderes zu bieten als vielleicht die geringe Gabe von Jahren, die sich in diesem blauen Tiegel befinde. Deshalb überreichen sie Ihnen alles, was sie in diesem Jahr geerntet haben, als Geschenk. Wenn Sie es haben wollen, gehört es Ihnen.»
    Sears brachte es irgendwie fertig, den Jubelschrei zu unterdrücken, der in seinem Innern aufstieg: Dann kam ihm ein seltsamer Gedanke: Sie hat’s bekommen. Aber Levi hat nicht die ganze Wahrheit gesprochen!
    Ben-Isaak sagte in leidenschaftlicher Erleichterung, so als ob ihn das, was eben geschehen war, von einer Schuld gereinigt habe: «Sie hat es bekommen. Wir haben unser Versprechen gehalten.»
    Hannah erhob sich mühsam. Während sie es tat, nahm Barzillai mit einer dramatischen Geste den Deckel vom Tiegel. Der Inhalt war mit ein paar Blättern bedeckt. Unter den Blättern befand sich eine weiche, graugrüne Substanz. Ein scharfer, bittersüßer Duft, der an nächtliche Blüten, an Ysop und Wurmfarn erinnerte, erfüllte die Luft im Raum. Er sprach abermals.
    Dr. Levi übersetzte: «Er hofft, daß Sie ihre bescheidene Gabe annehmen und daß der Herr jedes der Ihnen durch diese Frucht geschenkten Jahre segnen werde.»
    Hannah sagte heiser: «Was soll ich tun? Was soll ich sagen? Ist es

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