Jake Djones - In der Arena des Todes: Roman (German Edition)
werden.«
»Was du nicht sagst«, gab Jake zurück.
»Aber die Römer waren nicht gerade begeistert von der Vorstellung, einen neuen Alleinherrscher zu haben. Jahrhundertelang war Rom eine Republik gewesen, jedes Jahr wurde eine neue Regierung gewählt, und das sollte auch so bleiben. Deshalb haben sie sich Caesars mit dreiundzwanzig Messerstichen entledigt.« Jake strich sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger quer über den Hals, worüber Mister Drake so erschrak, dass er von seiner Schulter aufflog und es sich stattdessen auf der Rah bequem machte. »Das Problem dabei: Caesar hatte bereits so viele Leute auf seine Seite gezogen, dass es zu spät war. Die meisten wollten einen König oder, besser gesagt: Kaiser, wie sie es am Ende nannten. Die Tage der Republik waren gezählt. Um es kurz zu machen: Es folgten siebzehn Jahre blutiger Bürgerkrieg, die Köpfe rollten reihenweise, bis Caesars Sohn Augustus schließlich der erste römische Kaiser wurde.«
»Ein fähiger Mann, dieser Augustus«, warf Nathan ein und rückte seinen Sonnenkragen zurecht.
»Das kann man wohl sagen«, stimmte Charlie zu. »Er hat das Römische Reich bis nach Ägypten und halb Nordafrika ausgedehnt. Im Osten kam er bis nach Mazedonien. Er ließ Hunderte von Straßen bauen, und auch die Hauptstadt hat er kräftig aufpoliert, sie ›von einer Stadt aus Ziegeln zu einer Stadt aus Marmor‹ gemacht, wie er es nannte.«
»Ist er immer noch Kaiser?«, fragte Jake.
»Vor dreizehn Jahren ist er gestorben«, erwiderte Charlie. »Sein Stiefsohn Tiberius sitzt jetzt auf dem Thron.«
»Kann’s nicht ganz mit seinem Vater aufnehmen, dieser Tiberius«, meldete Nathan sich wieder zu Wort.
»Richtig. Er war ein brillanter Feldherr, aber auf den Kaiserposten war er nie scharf. Deshalb lebt er jetzt auch wie ein Einsiedler auf Capri.«
»Er lebt auf Capri ?«, wiederholte Jake.
»Ja, du hast richtig gehört. Die Regierungsgeschäfte erledigt er mittels Briefverkehr. Lucius Seianus, ein alter Bekannter aus Armeezeiten, ist seine rechte Hand.«
»Aber täusch dich nicht, Jake.« Nathan ließ das Ruder los und breitete theatralisch die Arme aus. »Rom ist auf der Höhe seiner Macht, die Schatz- und Getreidekammern quellen nur so über, und die römischen Legionen sind überall!«
»Tut mir leid«, unterbrach Charlie und verdrehte die Augen. »Aber solange du diesen Kragen trägst, hört sich alles, was du sagst, wie Blech an.«
»Wie bitte?« Nathan schaute ihn empört an. »Soll ich etwa mit einem weißen Schwanenhals herumlaufen wie die Barbaren aus dem Norden? Schon mal was vom Körperkult der Römer gehört? Ganz zu schweigen von ihrer Etikette! Nur ein falsches Wort, nur einmal zum richtigen Anlass das falsche Gewand getragen, und du bist für den Rest deines Lebens das Gespött der Leute! Außerdem passt eine gewisse Bräune viel besser zu meiner Augenfarbe.« Nathan reckte das Kinn vor und drehte das Gesicht wieder in die Sonne.
»Sieh einer an: Der große Nathan Wylder hat Angst, er könnte zum Gespött der Leute werden …«, murmelte Charlie mit einem Kopfschütteln.
Jake musste grinsen. Er hatte die freundschaftlichen Wortgefechte zwischen den beiden vermisst. Jetzt war er glücklich und stolz zugleich, wieder mit ihnen vereint zu sein. Er schaute hinaus aufs Meer und dachte an die anstehende Aufgabe. Ihr Auftrag lautete, Topaz wiederzufinden. Zur freudigen Überraschung aller hatte sie sich nach ihrem Verschwinden endlich wieder gemeldet. Jetzt wussten sie zwar, wo sie steckte, aber der geheimnisvolle Zusatz »Folgt der Schattenhand« am Ende ihrer Meslith-Nachricht gab ihnen nach wie vor Rätsel auf.
Jakes Gedanken waren oft bei Topaz. Er sah ihr Lächeln vor sich, als wären sie sich erst gestern im Londoner Büro zum ersten Mal begegnet. Oder er erinnerte sich daran, wie sie in dem Dorf am Rhein so ausgelassen getanzt hatte. Dann wieder sah er sie von den Schatten der Vergangenheit bedrückt, in Grübeleien verloren, das Gesicht düster und unendlich traurig. Obwohl sie bereits als kleines Mädchen adoptiert worden und bei Nathans Eltern auf Mont Saint-Michel aufgewachsen war, hatten die ersten fünf Jahre tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Immerhin stammte sie aus einer der finstersten Dynastien, die die Welt je gesehen hatte: Die grausame Agata Zeldt war ihre Mutter, Prinz Xander, der – glücklicherweise vergeblich – versucht hatte, die Renaissance zu verhindern, war ihr Onkel. Wie viel von diesem Blut wohl in ihren
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