Jake Djones und die Huter der Zeit
Topaz?«
»Eigentlich, finde ich, war Jake von Anfang an sehr mutig«, antwortete Topaz lächelnd. »Das ist es, was mir so an ihm gefällt.«
Topazâ Bemerkung verlieh Jake regelrecht Flügel, und er kletterte mühelos an der AuÃenwand des Containers hinauf, bis er auf der Höhe des Spalts war.
»Sei vorsichtig«, warnte Topaz, denn Jake befand sich jetzt in gut drei Metern Höhe.
»Kannst du schon irgendwas erkennen?«, fragte Charlie.
»Ich rieche was«, erwiderte Jake. »Stinkt wie in der Tierhandlung in Lewisham, die das Gesundheitsamt schlieÃen lieÃ. Wartet, ich kletter noch ein bisschen höher rauf.« Er griff mit der Hand in den Spalt und zog sich nach oben, um bis auf den Boden des Containers sehen zu können.
Da brach der Spalt, in den Jake mit der Hand gefasst hatte, splitternd zu einem groÃen Loch auf â Jake konnte sich gerade noch halten, indem er sich mit der anderen Hand am oberen Rand der gigantischen Kiste festhielt â und im Inneren des Containers wurde es nun richtig laut. Jake sah, wie der Boden sich bewegte. Wie Wellen schien etwas darin hin und her zu schwappen, nein, es waren Ratten, die auf der Innenseite der Holzwand emporkletterten und sich durch das Loch über Jakes Kopf, Arme und Schultern ins Freie stürzten.
Lähmendes Entsetzen erfasste Jake. Er hasste Ratten, wenn er sie nur sah, und das hier war tausendmal schlimmer: Dicke, fette Ratten, die Schwänze mindestens genauso lang wie der Körper, krabbelten ihm übers Gesicht, verfingen sich in seinen Haaren. Beinahe hätte er aus vollem Hals losgeschrien, aber er schaffte es irgendwie, seine Panik zu unterdrücken.
Charlie und Topaz sahen, wie der Strom aus widerlichen Nagern sich in den Gang ergoss, aus dem sie gerade gekommen waren.
»Sie werden uns entdecken«, flüsterte Charlie. »Du musst das Loch verschlieÃen, sofort!«
Jake versuchte, den herausgebrochenen Splitter wieder einzusetzen, aber es ging nicht: Die Flut von Ratten war nicht mehr aufzuhalten. Da spürte er einen langen, haarlosen Schwanz zuckend über seinen Mundwinkel streichen, und für einen Sekundenbruchteil berührte die Spitze sogar seine Zunge. Ein weiterer Nager rutschte in den Kragen seines Hemdes, wo er sich, kratzend und beiÃend, wieder freizukämpfen versuchte.
Das war zu viel für Jake. Er stieà einen markerschütternden Schrei aus und lieà los, doch selbst nachdem er auf dem Boden aufgekommen war, regneten die Ratten weiter auf ihn herab, und Jake schrie und schrie.
Topaz hörte heraneilende Schritte. Sie drehte sich um und sah, wie die Wachen mit gezückten Schwertern auf sie zugestürmt kamen. Sofort waren sie umzingelt, und den Agenten blieb nichts anderes übrig, als ihre Waffen fallen zu lassen und die Hände zu heben.
»Es tut mir leid ⦠Es tut mir so unendlich leid«, stammelte Jake, und die Schande seines Versagens brachte ihn beinahe um.
»Schon gut. Das kann passieren bei so viel Adrenalin im Blut«, flüsterte Topaz mitfühlend. »Jedem von uns.«
Topazâ Worte spendeten Jake denkbar wenig Trost, denn er war sich schmerzlich bewusst, dass er soeben womöglich ihrer aller Schicksal besiegelt hatte.
Mina Schlitz kam in das Gewölbe geschritten und schob sich zwischen den Wachen hindurch, bis sie direkt vor den Gefangenen stand. Die Ratten strömten immer noch wie eine Sintflut aus dem Loch in dem Container, und selbst manche der Wachen konnten ihren Ekel nicht verbergen. Mina jedoch zuckte nicht einmal mit der Wimper. Als eine der Ratten Anstalten machte, ihren Stiefel anzuknabbern, zertrat sie das Tier einfach mit dem Absatz, ohne auch nur hinzusehen.
Stattdessen musterte sie Jakes Gesicht. Sein Bart klebte nicht mehr richtig, und Mina riss ihn nun ganz herunter. Es tat höllisch weh, aber Jake wäre lieber gestorben, als noch einmal ein Anzeichen von Schwäche oder Angst zu zeigen.
Mina ging weiter zu Charlie und versuchte, ihn mit ihrem starrenden Blick einzuschüchtern, doch Charlie schaute nur unbeeindruckt zurück.
SchlieÃlich stellte sie sich vor Topaz und zog ihr das schwarze Tuch vom Kopf. Mina runzelte kurz die Stirn, als überlege sie, dann dämmerte es ihr, und sie rief erfreut aus: »Irre ich mich, oder ist uns da unverhofft die hoch verehrte Topaz St. Honoré ins Netz gegangen?«
»Unverhofft â allerdings«, erwiderte Topaz.
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