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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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geregelten Zeiten, Jakobs Diele ist jeden Tag außer Schabess geöffnet, das ganze Jahr über, und ein Radio steht deutlich sichtbar hinter dem Verkaufstisch, jeder kann hören, was er will.

    Aber da macht ihr euch selten, da muß man jeden von euch behandeln wie einen König, sonst geht ihr und kommt nicht wieder, und jetzt behandelt ihr einen selbst wie einen König und geht nicht und kommt immer wieder, man brauchte eine Leibwache gegen euch.
    Mischa hat keine Ahnung, was für zornige Gedanken sich ganz in seiner Nähe entzünden, daß es die Wut ist, die Jakobs Schritte so schnell macht. Sie tragen ein paar Kisten, Mischa bildet sich ein, das geht bis Mittag so weiter, er versäumt es, auf die unfreundlichen Blicke zu achten, die ihn von Zeit zu Zeit treffen, immer öfter. Bis der Topf überläuft, bis Jakob stehenbleibt, in der Hoffnung, daß Mischa weitergeht, möglichst weit weg. Aber Mischa bleibt auch stehen, seine Augen fragen verwundert, er weiß wirklich von nichts, soll er es also erfahren.
    »Ich bitte dich, Mischa«, sagt Jakob gequält, »hier sind so viele nette Menschen. Mußt du ausgerechnet mit mir tragen?«
    »Was ist denn los auf einmal?«
    »Auf einmal ist gut! Ich kann dein Gesicht nicht mehr sehen!«
    »Mein Gesicht?« Mischa lächelt dumm, solange hat sein Gesicht keinen gestört, Jakob schon gar nicht, höchstens diese und jene Bemerkung über seine himmelblauen Augen, wenn einem nichts Besseres eingefallen ist, und auf einmal so ein kleiner Ausbruch, fast schon ehrenrührig.
    »Ja, dein Gesicht! Mit diesem Mund, mit diesem geschwätzigen«, sagt Jakob noch, weil Mischa so ganz und gar im Dunkeln tappt. Und jetzt weiß Mischa, woher der Wind weht, er ist das schwache Glied in dem Kettchen der Verschwiegenheit, Jakob hat ja recht. Wenn es auch kein Grund ist, gleich so ein Theater zu machen, da hat man weiß Gott schon Schlimmeres erlebt, Mischa zuckt mit den Schultern, es ist mir eben passiert, wir werden es nicht mehr ändern können.
    Bevor Jakob sich weiter aufregt, geht Mischa stumm zur Seite, was gehen den Posten unsere Angelegenheiten an, nachher oder morgen wird bestimmt Zeit sein für ein versöhnliches Wort.
    Mischa geht also alleine zu den Kisten, schnell hat er einen zweiten Mann gefunden, ganz außer Kurs gekommen ist er schließlich noch nicht. Seine kräftigen Arme sind noch nicht vergessen, sie werden noch geschätzt, wenn schon nicht mit Jakob, dann wenigstens mit Mischa tragen. Und Jakob kommt auch alleine zu der Pyramide, er sieht gar nicht, wer mit ihm zusammen nach der Kiste greift, seine Augen kleben noch an Mischa, der endlich verschwindet, ohne sich umzudrehen, beleidigt oder nicht. Nach ein paar Schritten merkt Jakob aber doch, daß sein neuer Partner die Kiste nicht so fest hält wie Mischa, längst nicht so fest, und er sieht ihn an, und er sieht, daß der neue Mann Kowalski ist, und er verzieht das Gesicht und weiß, daß er aus dem Regen in die Traufe geraten ist, Kowalski wird ihn nicht lange in Ruhe lassen.
    Kowalski sagt kein Wort. Das heißt, er schweigt nicht, er beherrscht sich, wie lange hält er das aus, er trägt und trägt, Jakob kann es recht sein. Aber es macht ihn irgendwie nervös, Kowalski und schweigen, die roten Punkte auf seinen Backen kommen nicht von der Anstrengung. Drei ganze Kisten werden verschwiegen, wenn Kowalski denkt, daß er ihn aushungern kann, dann irrt er sich, Jakob wird nie von alleine mit der Sprache herausrücken, er hat ja nichts zu erzählen, nur es zerrt eben an den Nerven. Wir werden dich überlisten, fällt Jakob ein, wir werden dir eine Falle stellen, ein harmloses Gespräch könnte dich die Frage, die du vorerst noch für dich behältst, vergessen lassen, worüber soll man bloß reden, dann wird zu Mittag gepfiffen werden, und dann kannst du mich lange suchen.
    »Weißt du was gegen Haarausfall?« fragt Jakob.
    »Wieso?«
    »Jeden Morgen ist mein Kamm voll von Haaren. Kann man da nichts machen?«
    »Nichts«, sagt Kowalski, und Jakob hört deutlich, daß ihn das Thema nicht interessiert.
    »Irgendwas wird man doch tun können? Mir fällt ein, daß du in deinem Laden einen Kunden mit solchem Zeug eingerieben hast. Ich glaube, es war grün?«
    »Alles Schwindel«, sagt Kowalski. »Ich hab viele damit eingerieben, aber ich hätte sie auch mit Wasser einreiben können. Manche wollen unbedingt was haben. Und es war nicht grün, sondern gelb.«
    »Es gibt nichts, was hilft?«
    »Du hörst es ja.«
    Soweit, sie schleppen stumm

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