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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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werden sich beim nächsten Mal finden, die Tür fliegt zu, und schon ist die Unordnung vergessen. Bloß das Ding bleibt auf dem Tisch, gesehen hat er es ohnehin, da steht sein einziges Geheimnis, und er wartet immer noch mit dem Wütendwerden.
    »Du bist mir doch nicht böse?«

    »Nein, nein.«
    Jakob zieht die Jacke aus, wäscht sich die Hände vom Bahnhof, Lina wird langsam unruhig, und das Ding steht da und wird mißachtet.
    »Und was wolltest du wirklich hier?«
    »Gar nichts. Ich habe aufgeräumt«, sagt sie und weiß, daß es keinen Sinn hat.
    »Was hast du gesucht?«
    Jetzt wird er doch allmählich lauter, aber die Frage ist ihr zu dumm, er sitzt schon vor dem Ding und erkundigt sich scheinheilig, was man gesucht hat, darauf verweigern wir die offenkundige Antwort.
    »Warum steht die Lampe hier?«
    »Welche Lampe?«
    »Die hier. Siehst du eine andere?«
    Als Lina schweigt und große Augen macht, auf die angebliche Lampe starrt, und die großen Augen füllen sich gemächlich mit Tränen, da holt sie Jakob heran und fragt viel leiser:
    »Was hast du?«
    »Nichts.«
    Er setzt sie auf sein Knie, sie weint eigentlich selten, wer soll wissen, was in so einem kleinen Verstand vor sich geht, der den ganzen Tag alleine grübelt. »Komm, sag mir, was los ist. Hat es was mit der Lampe zu tun?«
    »Nein.«
    »Hast du sie schon mal gesehen?«
    »Nein.«
    »Soll ich dir erklären, wie sie funktioniert?«

    Lina hält die Tränen auf, schließlich trägt Jakob nicht Schuld an ihrem Irrtum, und außerdem, morgen ist auch noch ein Tag, irgendwie wird das Versteck gefunden werden, das sie heute übersehen hat. Sie bringt Augen und Nase mit dem Ärmel in Ordnung, der reicht nicht aus, Jakobs Taschentuch eilt zu Hilfe.
    »Soll ich sie dir erklären?«
    »Ja.«
    »Paß auf. Dieses Ding ist eine Petroleumlampe. Früher hat es nur solche Lampen gegeben, bevor man das elektrische Licht kannte. Hier gießt man das Petroleum rein, in diese kleine Wanne. Das hier ist der Docht, er saugt sich ganz voll, und nur seine Spitze guckt raus. Man kann sie länger oder kürzer stellen, mit dieser Schraube hier. Den Docht zündet man an, und dann wird es hell im Zimmer.«
    »Kannst du es nicht mal machen?«
    »Ich habe leider kein Petroleum.«
    Lina verläßt Jakobs Knie, sie nimmt die Lampe in beide Hände, betrachtet sie von allen Seiten, darum also hat man vergeblich auf Antwort gewartet. Zu Hause, bei den Nuriels damals, hat es keine Petroleumlampe gegeben und kein Radio, Irrtümer entstehen aus Mangel an Erfahrung, sie stellt das Ding nach einem letzten Blick zurück in den Schrank. Die Ordnung ist wieder vollkommen, auch bei Lina, sie entdeckt an ihrer mißglückten Entdeckungsreise sogar eine komische Seite.
    »Weißt du, was ich gedacht habe?«
    »Na?«
    »Aber du darfst mich nicht auslachen?«
    »Wie werde ich.«
    »Ich habe gedacht, das ist dein Radio.«

    Jakob lächelt, er erinnert sich, daß er als winziger Junge eine bucklige alte Nachbarin für eine Hexe gehalten hat, auch so ein Trugschluß, aber bald wird sein Lächeln schwächer und schwächer. Lina hat das Radio gesucht, das ist zugegeben, es wäre ganz gut gewesen, wenn man sie bei ihrem Glauben gelassen hätte, was macht es einer Lampe schon aus, für ein Radio gehalten zu werden. Er hätte sie zu heiligem Schweigen verpflichtet, jetzt hast du es endlich gefunden, jetzt weißt du, wie es aussieht, jetzt kein Wort mehr davon, vor allem nicht zu fremden Leuten. Und für Wochen wäre Ruhe gekommen, wenigstens zu Hause. Aber die Gelegenheit ist verspielt, Lina hat sich erst verraten, als es zu spät war, und man selbst besaß nicht genug Geistesgegenwart, die Situation im Zimmer und die Lampe auf dem Tisch und die Bedeutung ihrer Tränen richtig einzuschätzen. Gleich wird sie fragen, schön, das war also eine Lampe, wo ist nun das Radio? Gleich oder in einer Stunde, spätestens morgen, sie tritt schon von einem Fuß auf den anderen. Daß es kaputt ist, wird sie nicht befriedigen, dann zeig mir eben das kaputte, und man gehört leider nicht zu denen, die lästige Fragen ausnahmsweise auch einmal mit einer Ohrfeige beantworten können. Ein Ausweg wäre zwar noch, ein ganz simpler, Jakob könnte behaupten, er hätte es verbrannt, ein lädiertes Radio ist, wenn es gefunden wird, nicht weniger gefährlich als ein ganzes.
    Das könnte er sagen, dann wäre er das Radio glücklich los, für Lina und für alle Welt, aber da spielt der letzte Tag auf dem Bahnhof auch noch eine gewisse

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