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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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Klosett, heute die zweite Großtat, das soll ihm erst einer nachmachen, an einem Ort, an dem für Aufmerksamkeiten so wenig Platz ist. Aber er erwartet keine große Dankbarkeit, unter wahren Freunden sind diese Dinge selbstverständlich, da wird nicht lange geredet, da wird gehandelt. Und weil die Zeit allmählich drängt, und weil Jakob bis jetzt keine sichtbaren Zeichen von Freude oder Verstehen anzumerken sind, erklärt ihm Kowalski: »Er soll nämlich dein Radio ganz machen. Und keine Angst, der Junge ist zuverlässig.«
    »Das zu wissen ist gut«, sagt Jakob.
    »Ich kann natürlich nichts garantieren«, sagt Najdorf bescheiden und bereit. »Wenn zum Beispiel eine Röhre hin ist, kann ich nichts machen. Ich habe keine Ersatzteile, das habe ich Herrn Kowalski gleich gesagt.«
    »Geh erst mal hin und sieh es dir an«, sagt Kowalski.
    Jakob muß unter Zeitdruck einen Ausweg finden, man sollte meinen, es wird von Mal zu Mal leichter, weil Übung doch den Meister macht, aber es bleibt tatsächlich immer gleich schwer.
    Widerwillig erinnert er sich an die Beschlüsse der letzten Nacht, die sind leichter gefaßt als durchgeführt, wenn einem solche Hindernisse auftauchen, aber Jakob ruft sich zur Ordnung. Zu frohen Nachrichten gehören nun einmal frohe Gesichter, Jakob will keins gelingen, der Anblick des hilfswütigen Kowalski läßt kein Lächeln aufkommen. Jakob zieht mit viel Mühe den Mund in die Breite und zwingt die Augen zu verbissener Freundlichkeit, er versucht zu spielen, daß ihm soeben etwas überaus Wichtiges einfällt.
    »Das kannst du ja noch gar nicht wissen«, sagt er. »Du hast dir ganz umsonst soviel Mühe gegeben. Das Radio ist inzwischen wieder ganz.«
    »Was du nicht sagst!«
    »Aber es war trotzdem nett von dir.«
    »Wie ist es denn gekommen? Hast du es selber repariert?«  fragt Kowalski, und man weiß nicht, ob er sich ehrlich freut, oder ob er enttäuscht ist, weil seine Hilfsbereitschaft nun ins Leere schlägt.
    »Es ist wieder ganz. Reicht dir das nicht?«
    »Aber wie?« fragt Kowalski. »Ein Radio repariert sich nicht von selber?«
    Wenn Najdorf nicht bei ihnen wäre, könnte Jakob sonst was erzählen, eine Röhre war locker, oder er hat ein paarmal kräftig mit der Faust draufgeschlagen, und da hat es wieder gespielt, Kowalski versteht ebensowenig von Radios wie er.
    Aber dieser Najdorf ist leider noch da mit seinem Fachverstand, er sieht nicht nur erleichtert aus, weil seine Hilfe nun doch nicht benötigt wird, er hat auch berufliches Interesse im Blick. Und jetzt geh und gib ihnen aus dem Stegreif die passende Erklärung, die Dummkopf und Fachmann gleichermaßen befriedigt, du mußt doch wissen, wie du dein Radio repariert hast, berichte schnell und mach ein fröhliches Gesicht dazu.
    »Es war nur der Draht von der Zuleitungsschnur. Ich habe sie einfach ein Stückchen kürzer gemacht.«
    Alles hätte sich also bestens gefügt, Jakob ist ein wenig stolz auf sich, die drei Parteien sind zufriedengestellt. Najdorf gibt ihm zum Abschied die Hand, nochmals besten Dank für seine Mühe, er geht in die Richtung, wo die Werkzeugfabrik liegt, und braucht keine Angst mehr zu haben.
    Kowalski und Jakob setzen ihren Weg zum Bahnhof fort, Jakob ersinnt eine Rache für den verdorbenen Morgen, der so gut begonnen hat. Und zwar, die Schlacht an der Rudna wird Kowalski vorenthalten, sollen ihm andere die frohe Botschaft überbringen. Für Freunde, die keine Gelegenheit ungenutzt lassen, einen bis aufs Blut zu peinigen, sind in schlaflosen Nächten und unter Qualen gewonnene Schlachten zu schade.

    Auch wenn es ohne böse Absicht geschah, was Kowalski einem heute angetan hat, die Schwierigkeiten, in die er einen ohne böse Absicht bringt, nehmen beängstigend überhand, man kann dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Vorgestern erst hat er einem Lina auf den Hals gehetzt, heute Najdorf, er selbst ist von allen Fragern der unermüdlichste, da ist als Gegenmaßnahme eine einzige verschwiegene Schlacht wohl angemessen.
    »Hat es letzte Nacht Neuigkeiten gegeben?« fragt Kowalski.
    »Nichts.«
    Ein paar Bekannte grüßen, die Straße führt als einzige zum Bahnhof, und langsam kommt man ins Gedränge. Jakob bemerkt, wie sie ihn forschend ansehen, Kowalski scheinbar auch, er sonnt sich ein wenig in Jakobs Glanz und flüstert irgendeinem: »Das Radio ist wieder ganz.«
    Als hätte er seinen Anteil daran, und der andere beschleunigt die Schritte und flüstert es anderen, bald drehen sich viele nach Jakob um

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