Jakob der Reiche (German Edition)
tatsächlich Eindruck machen, wenn sie zum Reichstag weiterzogen, den Kaiser Friedrich III . bewusst in Trier, also nahe den burgundischen Ländern, abhalten wollte. Und angesichts der fürstlichen Ausstattung durfte man auf eine rasche Einigung über ein neues Lehen für Karl den Kühnen von Burgund und die Verlobung seiner Erbtochter mit dem Habsburger Thronfolger hoffen.
Jakob misstraute leichtfertigen Versprechen, schnell erteilter Absolution, wie er sie im Beichtstuhl schon allzu oft gehört hatte, und Titeln ohne Wert, und er blieb auch misstrauisch, als die Brüder wenige Tage später, am 9. Juni 1473, das Pergament entrollten, das sie gemeinsam als Dank für ihre Hilfe von Kaiser Friedrich III . erhielten.
Nach Habsburger Art hatte der Kaiser nicht mit barem Geld, sondern mit einem verschnörkelten Wappenbrief bezahlt: Im geteilten gotischen Feld standen eine blaue und eine goldene Lilie, gekrönt von einem Helm mit mächtigen Büffelhörnern.
»… damit Unsere und des Reiches Getreue Ulrich, Markus, Peter, Jörg und Jakob Gebrüder Fugger vor Unserer Kaiserlichen Majestät gerühmt sind …«
Noch war nicht alles ausgestanden. Es war bereits Juli, als Friedrich III . in Richtung Günzburg weiterziehen wollte. Am Tag, als der Kaiser mit seinem kostbar ausstaffierten Gefolge und Dutzenden weiterer Kleidertruhen auf Pferdewagen weiterziehen wollte, kam es am Wertachbrucker Tor zu einem bösen Zwischenfall. Einer der Hufschmiede wollte den Tross nicht ziehen lassen.
»Seht euch das an, Leute!«, rief der riesenhafte, muskelbepackte Mann. »Erinnert euch, wie sie hier eingezogen sind und wie fein gekleidet sie wieder verschwinden wollen, ohne mir Eisen und Nägel, Hufschnitt und Arbeit an zwanzig ihrer Rösser zu bezahlen.«
Andere am Straßenrand stimmten johlend zu. Jetzt schrie auch ein Bäcker, dann ein Weinhändler. Im Handumdrehen verwandelte sich der Auszug des Kaisers aus der Stadt in einen lauten Protest.
Der erzürnte Hufschmied fiel bereits den ersten Vorreitern ins Zaumzeug und hielt sich daran fest. Nur die Tatsache, dass Hunderte von Augsburgerinnen und Augsburgern am Straßenrand standen, hinderte die Trabanten daran, den Auszug mit Waffengewalt zu erzwingen. Doch ließ einer der kaiserlichen Kutscher aus Wien empört die Peitsche knallen.
Mitten im allgemeinen Durcheinander erkannten einige der Patrizier aus dem Großen Rat, was sich anbahnte.
Sie hatten in den vergangenen Tagen schon mehrfach darüber gesprochen, wie dem Kaiser geholfen und das Stadtsäckel dennoch geschont werden konnte. Ihr salomonischer Beschluss bestand darin, dass Stadtboten unter der Hand Beutel mit Münzen an diejenigen verteilen sollten, die zu lautstark auf ihrem Recht bestanden. Dummerweise ließen sich die heimlichen Wohltaten nicht lange verbergen. Schneller als gedacht gab sich ein Gläubiger nach dem anderen zufrieden. Doch niemand zählte oder prüfte nach. Noch ehe der Kaiser und sein Sohn durch das nördliche Stadttor ritten, waren seine Schulden bei den Augsburgern aus ihren eigenen Steuern beglichen …
Es waren recht eigenartige Ereignisse, die Jakob Fugger in diesen Tagen miterlebte. Mehr als die Einkleidung des Kaisers und seines Gefolges und mehr als die Verhandlungen, die seine Brüder mit den Kölnern geführt hatten, beschäftigte ihn die Eile, mit der die Stadt Augsburg zum Schluss die Schulden des Kaisers bei ihren eigenen Bürgern bezahlt hatte – und das nicht nur bei den Patriziern, sondern zuallererst bei den Handwerkern und Schankwirken, den kleinen Krämern und Händlern.
Irgendetwas musste sich seit seinem letzten Besuch bei der Mutter geändert haben. Jakob erinnerte sich daran, wie Georg gesagt hatte, dass der Große Rat nachgiebig geworden sei und die kleinen Händler und Handwerker immer lauter auf ihre Rechte pochten. Bürgermeister Schwarz stand auf ihrer Seite. Fast schien es, als zögen sich die alteingesessenen Geschlechter immer mehr von der Macht zurück. Aber dass selbst kleinste Forderungen von Handwerkern, wenn sie nur respektlos und laut genug vorgetragen wurden, mehr bewirkten als untertäniges Verhalten, wie er es kannte, das wollte ihm einfach nicht in den Kopf.
Am liebsten wäre er in Augsburg geblieben, um mehr von der Macht des Geldes zu verstehen, um sie besser beherrschen zu lernen als sein Vater und seine Brüder und um vielleicht sogar in Italien die Geheimnisse des Handels zu lernen. Aber er musste zurück zu den Kanonikern in das Stift.
So
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