Jakob der Reiche (German Edition)
die vor unserer Haustür über Krieg und Frieden entscheiden.«
Sie wussten beide, dass Jakob recht hatte. Das Problem bestand nicht darin, Männer anzuwerben, die sich im Ernstfall mit Leib und Leben vor den Heiligen Vater stellen sollten, sondern einen Anführer zu finden, der fromm genug und nicht so gnadenlos wie ein Cesare Borgia war.
»Der Zink in Rom drängt immer heftiger«, sagte Jakob, »aber nicht einmal die Kardinäle Meckau, Lang und Caravajan, die große Summen bei uns angelegt haben, wissen in dieser Angelegenheit Rat.«
»Die Sache ist vertrackt«, stimmte Peutinger zu. »Man darf ja weder in Süddeutschland noch in Österreich oder Frankreich werben, weil dies eine der großen Mächte bevorzugen würde.«
»Selbst die Schweizer zeigen keine große Lust, in der heißen, schmutzigen Stadt an der Baustelle des Petersdoms zu stehen.«
»Dann musst du eben etwas tiefer in die Tasche greifen, um die Waffenknechte für den Vatikan zu bezahlen.«
»Ich habe schon einmal höchst ungern Soldaten bezahlt«, sagte Jakob mit einem tiefen Seufzer. »Damals in Bozen für Sigismund – und zugleich den Heerhaufen Venedigs gegen sie.«
»Ist es ein schlechtes Geschäft geworden?«
Jakob lächelte, dann schüttelte er den Kopf. Damit war die Angelegenheit für ihn entschieden.
Anfang des Jahres 1506 zogen hundertfünfzig Schweizer mit ihrem Anführer Kaspar von Silenen aus Urten durch die Lombardei. Sie führten Wagen mit, auf denen, eingefettet und in Ledersäcke verpackt, Hellebarden, Schwerter und andere Waffen lagen.
Am 21. Januar zogen sie durch die Porta del Populo in der Ewigen Stadt ein. Johannes Zink stieß am Stadttor zu ihnen. Er hatte ihnen einheitliche schwarz-gelbe Gewandungen mit geschlitzten Pluderhosen und großen bunten Baretten mitgebracht.
»Sold bekommt nur, wer sich an die Kleiderordnung hält«, lautete die Anordnung Jakob Fuggers. Drei Tage später versammelten sie sich auf dem Campo dei Fiori, um sich von Papst Julius II . segnen zu lassen – demselben Kirchenfürsten, der ein Jahrzehnt zuvor als Kardinal Rovere den Franzosenkönig Karl VIII . dazu überredet hatte, mit einem Heer in Italien einzufallen und bis nach Neapel vorzudringen.
Niemand außer einer Handvoll Eingeweihter wusste, wer die Schweizer Garde aufgestellt und finanziert hatte. Doch für den Kaufmann im fernen Augsburg waren die hundertfünfzig Waffenknechte wie hundertfünfzig Petrusschlüssel für die Geldkisten des Vatikans …
Die Welt verharrte nicht mehr auf den alten Säulen. Sie war nicht mehr der Erdball in der Mitte des Universums, um die in sieben Himmelssphären Sonne, Mond und Sterne kreisten. Gott und die Engel in diesen Sphären wurden ebenso durch die Veränderungen erschüttert.
Konnte es wirklich sein, dass nicht die Sonne um die Erde kreiste, sondern umgekehrt? Durfte es sein, dass Maximilian zum Kaiser gewählt und dennoch nicht vom Papst gesalbt und gekrönt wurde? Und dass es innerhalb der Kirche zu Protest und Widerstand gegen den Heiligen Vater kam?
»Alles ist unsicher geworden«, sagte Jakob nach dem österlichen Kirchgang zu Peutinger. Die ganze Stadt duftete bereits nach ersten Blumen. »Ich habe niemals den Ätna oder den Vesuv gesehen. Aber mir scheint, als ob sich irgendetwas ankündigen würde, das wie ein Erdbeben oder der Ausbruch eines Vulkans die alte Ordnung von ihren Sockeln stürzen wird. Nichts ist mehr so, wie ich es neun Jahre lang in Herrieden gebetet und geglaubt habe.«
»Vielleicht wirst du in deinen besten Mannesjahren noch zum Philosophen«, meinte Peutinger spöttisch. »Ich habe viel gelernt und noch mehr gelesen, seit ich in Padua endlich meinen Doktorhut erworben habe. Aber ich schwöre dir, dass sich noch nie etwas unter den Menschen oder ihren Sünden geändert hat.«
»Was meinst du damit?«
»Was ändert sich hier unten, wenn wir wissen, wie die Erde und die Sonne umeinander kreisen? Schiffe mit Conquistadores segeln inzwischen in die Neue Welt und schlagen dort alles kurz und klein. Sie holen so viel Gold für Portugal und Spanien über den Ozean, dass jedes Handelshaus hier in Süddeutschland und selbst die Hanse vor Neid erblassen müsste. Aber du wolltest ja nicht mittun, willst immer noch den alten Handel und die alten Beziehungen pflegen.«
Jakob lächelte leise. »Du solltest mich nicht unterschätzen, Conrad!«, sagte er. »Ich weiß viel besser als viele andere, was in der Welt geschieht. Und ich lasse zu, dass all meine Konkurrenten
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