Jakob der Reiche (German Edition)
eines Tages erneut ein Schatten in der Residenz Sigismunds folgte …
Der andere war so dicht hinter ihm, dass sie zusammenstießen, als Jakob unvermittelt hinter einem geschwungenen Treppenaufgang des Palastes stehen blieb. Mehr als ein Dutzend Mal waren sie in diesen wenigen Tagen schon aneinander vorbeigelaufen.
Und plötzlich erkannte er seinen Schatten. Er erinnerte sich, dass er ihn vor einigen Jahren kurz in Augsburg gesehen hatte – damals, als Kaiser Friedrich III . und sein Gefolge ärmlich gekleidet nach Augsburg gekommen und fürstlich ausgestattet wieder weggeritten waren …
»Ihr?«, fragte er erstaunt und zugleich spöttisch. »Hans Suiter, der ehemalige Bürgermeister von Innsbruck höchstselbst? Habt Ihr denn keine Leute, die Ihr mir nachschicken könntet, um mich zu beobachten?«
»Mehr als genug und alle käuflich wie ich«, gab der stattliche, dunkelhaarige Mann mit dichten Brauen und harten Lippen zurück. »Aber was Ihr vorhabt, möchte ich selbst herausfinden, Meister Fugger. Ihr seid mir einfach zu schweigsam und vorsichtig im Vergleich zu den anderen Kaufleuten, die hier in Innsbruck herumstreichen.«
»Könnt Ihr mit offenen Karten spielen?«
»Warum nicht?«, antwortete Suiter und lachte wohlwollend. »Ich habe noch eine alte Rechnung mit dem Erzherzog offen und stehe im Sold der Baumgartner und zugleich der Wittelsbacher in Bayern.«
Jakob Fugger pfiff unwillkürlich durch die Zähne. Er hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht.
»Wollen wir hier stehen bleiben?«, fragte Suiter. Er deutete auf eines der hohen Fenster, durch das in Steinwurfentfernung ein gelb gestrichenes Gebäude zu sehen war. »Oder ist es Euch recht, wenn wir uns in das Haus da drüben zurückziehen?«
»Ihr könnt dort hinein?«
»Es gehört den Baumgartnern. Sie nutzen es nur, wenn einer von ihnen in Innsbruck ist.«
Jakob hob die Brauen und überlegte kurz. »Sind Bedienstete dort?«, frage er sachlich.
»Zu dieser Stunde nicht.«
Sie gingen ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter, dann über die Straße und verschwanden im Eingang des Patrizierhauses. Innen war alles ein wenig zu dunkel und roch nach abgestandener Luft.
»Nehmt Platz«, sagte Hans Suiter, als sie im Kaminzimmer angekommen waren. Er ließ sich ächzend in einen Stuhl mit geschnitzten und gepolsterten Lehnen fallen. Jakob nahm ebenfalls Platz.
»Wenn Ihr wüsstet, Jakob Fugger«, begann Suiter das Gespräch, »wenn Ihr wüsstet, wie schlecht es gerade hier vielen geht. Das Silber ist wie ein warmer Dauerregen für Erzherzog Sigismund. Aber es fließt nicht weiter, kommt nicht bei denen an, die für ihn arbeiten, seine Verträge abfassen und seinen aufwendigen Hofstaat verwalten. Es läuft auseinander wie Quecksilber, und keiner der Herren kann es sich leisten, beim Erzherzog auf die Begleichung von Schulden und Außenständen zu bestehen.«
»Drängen nicht alle nach der Gunst des Erzherzogs?«, fragte Jakob scheinbar beiläufig. Er wusste, dass es so war, aber er wollte es auch von seinem Gegenüber hören.
»Vollkommen richtig«, antwortete Suiter. »Kaufleute und ihre Abgesandten aus Schwaben und Bayern, ja selbst aus Sachsen und Franken stehen mit Bargeld Schlange, um es dem Erzherzog als günstigen Kredit aufzuschwatzen.«
»Aber er nimmt es doch«, sagte Jakob. »Und er hat genügend Silber, um die Kredite zurückzuzahlen.«
»Falsch«, antwortete Suiter. »Genau das ist falsch! Sigismund zahlt nur sehr selten seine Kredite zurück. Und auf die vereinbarten Zinsen warten die meisten vergeblich.«
Für eine Weile war nur das Summen der Fliegen in der niedrigen Stube zu hören.
»Ich habe, als ich noch Bürgermeister von Innsbruck war, dem Erzherzog Anton vom Ross als Finanzverwalter vorgeschlagen. Er war damals reich genug, um sich für dieses manchmal teure Amt zu eignen. Sigismund will nur Männer an diesem Platz, die selbst so vermögend sind, dass sie nicht stehlen …«
»… und ihm bei Bedarf auch noch mit Anleihen aushelfen.«
»Ihr wisst Bescheid«, bestätigte Suiter. »Jetzt aber hat Anton vom Ross mir gesagt, dass ihr Fugger von der Lilie euch etwas mehr um Innsbrucker Geschäfte kümmern wollt.«
Jakob blickte den anderen mit unbewegtem Gesicht an. Niemand, nicht einmal der Münzmeister von Hall, der Obristenhauptmann oder Suiter durften auch nur ahnen, was er beabsichtigte. Schon deshalb musste er jeden Kredit an Sigismund ablehnen und stattdessen so tun, als würde er lieber Not leidenden
Weitere Kostenlose Bücher