Jakob der Reiche (German Edition)
Herrieden kann ich mir doch nicht entgehen lassen!« Er neigte seinen Kopf. Der junge Mann war kräftig gewachsen und hatte helles lockiges Haar wie ein Engel. »Ich war in Eichstätt, aber man sieht von meiner Tonsur ebenso wenig wie von deiner …«
»Und was, bei allen Heiligen, machst du hier?«
»Heiraten«, antwortete der andere. »Ich will zuerst die bei der Schönheit etwas zu kurz gekommene Tochter des Hauses und dann die ›Weiße Taube‹ übernehmen. Ihr Bettlinnen ist mir allemal angenehmer als die Strohsäcke, auf denen wir Priesterschüler schlafen mussten.«
»Und wie heißt du?«
»Hans Kohler. Ich stamme hier aus Salzburg, bin aber bei meinem Onkel in Ulm aufgewachsen, nachdem meine Eltern an der Pest verstarben …«
Jakob musste den ehemaligen Klosterbruder nicht lange überreden. Die Gaststube blieb leer, und schon nach kurzer Zeit wurden sie sich einig.
»Und noch etwas«, sagte Jakob zum Schluss. »Ich will auch von allen Gesprächen eurer Gäste wissen, bei denen es um die Bergwerke hier im Salzburgischen geht. Du bekommst ein Prozent von allen Kuxen, die ich durch deine Mithilfe erwerbe. Lass deine Herkunft hier in der Stadt für dich arbeiten. Freunde dich mit Männern und Frauen an, die oben in der Bischofsburg ihren Dienst versehen. Es ist mir gleich, ob du Priester, Diakone, in den Laienstand zurückversetzte Mönche, exkommunizierte oder irrgläubige Protestanten für uns anwirbst. Nur eines muss klar sein: Du kennst mich nicht, und wir haben uns niemals gesehen.«
Silberne Gulden
Der Aufbau eines Netzwerks von Zuträgern und Strohmännern erwies sich sehr schnell als die beste Idee, die Jakob Fugger bisher gehabt hatte. Es war, als hätte er aus nutzlos gewordenen Drohnen emsige Immen gemacht. Er staunte selbst über den unerwarteten Erfolg, der in Salzburg begann und sich schnell bis zu den Silberbergwerken in Gastein und Rauris, Schladming und Rottenmann ausweitete. Nach Augsburg zurückgekehrt, stand Jakob Fugger schließlich vor der Entscheidung, entweder seinen ältesten Bruder oder seine Mutter einzuweihen. Er brauchte Geld für die Verwirklichung seiner Pläne – viel Geld sogar und mehr, als er selbst kurzfristig flüssigmachen konnte. Doch dann sprach die Fuggerin selbst ihren Jüngsten an.
»Was bewegt dich?«, fragte sie, als Ulrich gerade das Haus verlassen hatte, um sich mit einigen anderen Händlern zu einem Protest gegen die steigenden Steuern in der Kirche von Sankt Anna zu treffen. »Ich beobachte dich schon, seit du zurück bist.«
Jakob antwortete ihr ohne Umschweife: »Ich möchte nach und nach sämtliche Silberbergwerke von Tirol in unsere Hand bringen.«
Ein paar Fliegen zogen surrend um ihre Köpfe, ehe sie an den bunten Scheiben der geöffneten Fenster vorbei ins Freie flogen. Das Licht der Sonne malte im ganzen Raum farbige Flecken auf Wände und Möbel. Für einen Augenblick sahen die Balken in den Zimmerecken wie lichtumflutete Strebepfeiler einer Kathedrale aus. Aus einer Nebenstraße drangen die Flötentöne eines fahrenden Musikanten bis zu ihnen herauf. Sie klangen sanft und zart wie der tönende Hauch der allerkleinsten Orgelpfeifen.
»Sämtliche Silberbergwerke Tirols! Und du willst sie kaufen?« Sie hielt inne, schloss den Mund aber nicht wieder, sondern wartete nur einen Augenblick, um dann fortzufahren: »Mit meinem Geld!«
»Ja«, antwortete Jakob. »Oder besser, nein. Nur mit einem Teil davon. Danach wird neues Geld für neue Anteile nötig sein. Aber ich weiß bereits, woher es kommt. Wenn wir nur erst einmal angefangen haben …«
»Und wie viel brauchst du?«
»Fünftausend Gulden, von denen Ulrich und Georg nicht unbedingt erfahren müssen …«
Barbara Fugger ließ sich auf das Geschäft ein. In den folgenden Monaten kaufte Jakob, ohne Augsburg zu verlassen, über seine Mittelsmänner einen Anteil an Silberbergwerken nach dem anderen. Für Außenstehende hätte das höchst geheime Unterfangen wie ein gewaltiges Verlustgeschäft ausgesehen. Jakob warf sein gesamtes verfügbares Geld und große Teile vom Vermögen seiner Mutter nicht nur in ein einzelnes schwarzes Loch im Berg, sondern in viele verschiedene, von denen einige im Salzburger Land bereits abzusaufen drohten.
Immer mehr Salzburger, Tiroler und Süddeutsche wunderten sich, wie zählebig auf einmal gerade die kleineren Gruben waren, mit deren Bankrott man längst gerechnet hatte. Aber das Merkwürdigste war die Dreistigkeit, mit der die eben noch ächzenden
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