Jakob der Reiche (German Edition)
schüttelte ärgerlich den Kopf. »Was willst du eigentlich? Soll ich mich hinstellen wie ein Kesselflicker oder Marktschreier, Lärm schlagen und tanzen, singen und den Weibern schöne Augen machen, bis mir irgendjemand etwas abkauft?«
»Wir sind durch ausgesuchte, gleichbleibend gute Qualität bei unseren Waren, pünktliche Termine und das Vertrauen unserer Zulieferer und Kunden groß und reich geworden«, stellte Ulrich mit lauter Stimme fest, als spräche er vor dem Großen Rat von Augsburg. »Wir haben nichts zu verschenken. Aber wir spenden großzügig für die Armen und die Kirche und fördern auch die Künste. Wir geben Papst und Kaiser, was ihnen nach Gesetz und Recht zusteht.«
Er brach mitten in seiner Rede ab und ergriff mit beiden Händen die Knäufe an den Armlehnen seines Stuhls im Kontorraum.
»Ich gebe zu, dass wir gelegentlich auch an dieser oder jener Auseinandersetzung mitverdienen, die andere auskämpfen«, fuhr er dann wesentlich leiser fort. »Aber wir mischen uns nicht ein, Jakob. Nicht in den Streit zwischen den bayrischen Wittelsbachern und den Habsburgern, nicht in die Bauernaufstände überall im Land und nicht einmal in den Krieg, den Ungarns König Matthias Corvinus bis vor die Tore Wiens trägt.«
»Bist du jetzt fertig mit deinen brüderlichen Belehrungen?«, fragte Jakob knapp. Ulrich sah den jüngeren Bruder wie einen Fremden an.
»Es gibt Gerüchte, dass der Erzherzog alle aus seinem Land verjagen will, die zur Republik Venedig gute Beziehungen unterhalten. Das betrifft besonders einige Bergwerke in Kärnten und die Märkte im Süden von Tirol.«
»Primör«, sagte Jakob und nickte. Jetzt war ihm klar, worin Ulrichs Bedenken bestanden. »Du meinst die Bleibergwerke von Primör in den Dolomiten. Und du hast recht. Sie gehören schon seit drei Jahren einigen Signori von San Marco. Und auf dem Markt von Bozen bekommt inzwischen kaum noch einer aus dem Norden einen Platz.«
»Dann stimmt es also«, seufzte Ulrich. »Ich wollte es nicht glauben, dass du hinter der Kampagne gegen unsere Handelspartner am Rialto steckst.«
»Und jetzt bist du dir sicher?«, fragte Jakob spöttisch.
Ulrich bewegte den Kopf langsam hin und her. »Ich schäme mich für dich, Jakob«, sagte er, und seine Mundwinkel zuckten vor Empörung.
Jakob schlug mit beiden Händen auf die Armlehnen seines Stuhls. Er sprang auf, trat zu Ulrich, legte kurz einen Arm um seine Schultern und ging mit leichten Schritten zu den Fenstern. »Ja«, sagte er dann. »Es stimmt fast alles, was dir von den Gerüchten zugetragen wurde.« Er drehte sich mit einem harten Ruck wieder zu Ulrich um. »Aber ich schwöre dir, dass Venedig keinen Schaden haben wird bei dem, was in den nächsten Monaten geschieht. Wir werden alle profitieren. Der Doge von San Marco wird uns noch wohlgesinnter sein als bereits heute. Sogar Erzherzog Sigismund wird uns auf Knien danken.«
»Du sprichst von allen anderen, nur von uns sprichst du nicht.«
Jakob lachte leise und vergnügt. »Alles, mein Bruderherz, wir werden alles haben. Und das ist mehr, als du zu träumen in der Lage bist …«
Heimliche Zahlungen
»Es ist nicht zu glauben!«, schimpfte Conrad Peutinger, als er Jakob vor seiner Rückkehr an die Universität noch einmal in der Faktorei in Innsbruck besuchte. Er war in den vergangenen Jahren fast noch weiter in der Welt herumgekommen als der junge Kaufmann aus Augsburg. Soeben kam er aus Rom und Florenz, wo er Jurisprudenz studiert und sich der Erforschung von Inschriften aus dem Altertum gewidmet hatte.
»Was treibst du dich eigentlich überall herum?«, begrüßte ihn Jakob Fugger. »Du bist inzwischen zweiundzwanzig Jahre alt und hast noch immer keinen Doktor. Wenn du so weitermachst, kannst du bestenfalls noch Stadtschreiber in Augsburg werden.«
»Nichts wäre mir lieber als eine derartige Ernennung«, entgegnete der junge Mann schmunzelnd, und Jakob fiel auf, dass sich die dünnen Fransen an seinem Kinn inzwischen zu einem stattlichen braunen Vollbart ausgewachsen hatten.
»Trotzdem höre ich immer wieder gern, wie sich die Geschäfte im Welschland und im Vatikan entwickeln. Gibt es irgendetwas Neues, das mich interessieren könnte?«
»Ich weiß nur wenig über Händler und Märkte«, gab Conrad Peutinger zu. »Aber was der Heilige Vater und seine Berater sich diesmal ausgedacht haben, um einige der Fürsten auf unserer Seite der Alpen wegen der Abgaben für seinen neuen Petersdom zu besänftigen, ist schon eine arge
Weitere Kostenlose Bücher