Jakob der Reiche (German Edition)
Teufelei. Ich meine, dass jetzt sogar bestraft werden soll, wer nicht kirchliche Bücher liest.«
»Galt das zuvor etwa nicht?«, fragte Jakob.
»Doch, doch«, antwortete Peutinger. »Aber wer hat sich bisher darum gekümmert? Wir an den Universitäten jedenfalls nicht. Jetzt hat der Papst einigen Fürsten angeboten, dass sie die Hälfte aller eingetriebenen Strafgelder für derartige Leseverbrechen für sich behalten können.«
»Bezieht sich das etwa auch auf unsere Firmenbücher?«, fragte Jakob lächelnd.
»Der Herr vergebe dir deine lästerlichen Reden«, antwortete Conrad Peutinger sofort. »Wenn sich die Kirche nur noch durch derartigen Wahnwitz erhalten kann, dann kracht es über kurz oder lang im Gebälk, das sie zusammenhält. Aber ich denke, es ist gesünder, wenn wir zunächst einmal die Lagenbücher in den Weinkellern von Innsbruck visitieren …«
Conrad Peutinger stöhnte laut auf: »Die Winzer hier müssen in der Tat noch sehr viel lernen! Das ist kein Vergleich mit den Tropfen, an die ich mich in Parma und Bologna gewöhnt habe.«
Es war fast Mittagszeit. Sie waren bis tief in die Nacht durch die Weinkeller Innsbrucks gezogen. Auch Jakob spürte seine trockene Zunge und pochende Schmerzen im Kopf. Er pflegte nur wenig zu trinken, aber Conrad hatte ihn mit seiner unbekümmerten Art zu immer weiteren Bechern verführt.
»Sollen wir sie nun verheiraten oder nicht?«, fragte Jakob, während er mit einem feuchten Tuch Stirn und Hals betupfte. »Ich meine den Wittelsbacher Bayern und die Habsburger Kunigunde?«
Conrad lehnte sich zurück, schloss die Augen und strich sich durch seinen dichten Bart. Auch Jakob dachte angestrengt über die verzwickte Frage nach, über die sie in der vergangenen Nacht immer hitziger debattiert hatten.
Schon seit Längerem bemühte sich Herzog Albrecht von Bayern-München um Kunigunde. Die Tochter Kaiser Friedrichs III . und Schwester Maximilians war einer Ehe mit dem Wittelsbacher nicht abgeneigt.
Dummerweise biss der Bayer mit seiner Werbung bei den Habsburgern in Wien immer wieder auf Granit. Mit dem streitsüchtigen ungarischen König Matthias Corvinus vor den Toren Wiens und dem leichtsinnigen Neffen Sigismund in Tirol konnten sich weder Friedrich III . noch Maximilian eine dritte Kraft an ihren Grenzen leisten, die sie nicht beherrschen konnten. Und natürlich würde eine Heirat mit der Kaisertochter das seit Ludwig dem Bayern wenig bedeutende Bayern politisch aufwerten.
»Sie neiden sich die Butter auf dem Brot!«, sagte Peutinger schließlich. »Eher geht die Sonne im Westen auf, als dass ein reicher, aber politisch unbedeutender Wittelsbacher Bayernherzog eine Braut der armen, aber kaiserlichen Habsburger aus Österreich bekommt!«
»Der Bayer will eine hohe Morgengabe für sie zahlen, obwohl sie schon ebenso alt ist wie ich«, sagte Jakob.
Conrad Peutinger schüttelte den Kopf. »Die Herzogin steht einfach über allen. Nach dem Tod der Mutter hat der Vater die Erziehung übernommen. Kunigunde reitet heute ebenso gut wie ihr Bruder Maximilian, beherrscht die Jagd mit dem Falken, kann Schach und Karten spielen, weiß Instrumente zu schönstem Klang zu bringen und kann sich über jedes Thema unterhalten …«
Vollkommen unerwartet fühlte Jakob einen Schmerz in seiner Brust. Das hatte nichts mit dem Wein der vergangenen Nacht zu tun. Es war, als würde der fröhliche und unbeschwerte Scholar wie mit einem glühenden Eisenspieß in Jakobs Herz herumwühlen. Alles, was er über die junge Herzogin gesagt hatte, passte auch auf seine eigene Herzenskönigin. Auch Caterina Cornaro ritt und jagte mit dem Falken, spielte verschiedene Instrumente und verehrte Männer der Dichtkunst.
»Dennoch darf Kunigunde bis heute nicht einmal selbst entscheiden, wie sie sich kleidet«, fuhr Conrad fort. »Sogar zur Nacht muss eine Hofmeisterin zur Sicherheit in ihrer Kammer schlafen. Wen wundert’s da, wenn sie nichts auf der Welt mehr wünscht, als ihren Fesseln zu entfliehen und am Altar Ja zu sagen. Sie ist sozusagen eine gefangene Tochter des deutschen Kaiserreichs …«
»Wie die Tochter Venedigs«, murmelte Jakob.
»Lass mich einmal weiterdenken«, sagte Conrad, ohne auf Jakobs leisen Seufzer einzugehen. »Die beiden sind sich einig – aus welchem Grund auch immer. Ich bin ganz sicher, dass es ihr dabei nicht um die neunzigtausend Gulden und den Titel einer Herzogin von Bayern geht. Ich denke sogar, dass sie aus ihrer eigenen Schatulle sehr viel für ein
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