Jakob der Reiche (German Edition)
Das alles müsste uns nicht sorgen, aber jetzt blicken die Wittelsbacher auch nach Süden.«
»Hierher? Nach Tirol?«
»Sie wollen verhindern, dass immer mehr Angehörige des Wiener Hofstaats nach Innsbruck kommen. Neben der Residenz von Erzherzog Sigismund gibt es ja auch noch die kaiserliche Burg in der Stadt. Ihr kennt sie ja von den Hochzeitsvorbereitungen her.«
Nach und nach lernte Jakob die Männer kennen, die für Friedrich III . und Maximilian mit ihrem Vermögen und ihrer Arbeitskraft das unübersichtliche Heilige Römische Reich regierten. Aber nicht alle hohen Herren der Reichskanzlei waren so gesprächsbereit wie die Beamten in der Verwaltung von Erzherzog Sigismund. Einige von ihnen besaßen Vermögen, die jene der Nürnberger und Augsburger Kaufleute noch übertrafen. Andere kamen aus dem geistlichen Stand oder waren gerade erst in den Adel erhoben worden.
Jakob legte ein Buch an, von dem niemand außer Hans Suiter etwas wusste. Er notierte, in welche Innsbrucker Kirchen die hohen Würdenträger zur Weihnachtszeit gingen, wo sich der Hofstaat Maximilians einfand und zu welcher der beiden Gruppen die Patrizier und die Landstände stießen. Zum Jahreswechsel war ihm klar, dass Sigismund keine zwölf Monate mehr überstehen würde.
»Dann geht alles verloren, was wir ihm bisher geliehen haben«, stöhnte Suiter.
»Nichts geht verloren«, antwortete Jakob entschlossen. »Ich werde alle Anteile behalten, die ich an den Gewerken in Tirol besitze. Zur rechten Zeit wird sich sogar das Volk gegen den Ausverkauf sämtlicher Reichtümer des Landes an lauter gierige Kaufleute und Fürsten empören … gegen die Blutsauger, die dieses Land schamlos und mit Hilfe des eigenen Fürsten ausgebeutet haben. Sie werden sehen, dass wir Fugger für Ordnung sorgen!«
»Du willst einen Aufstand anfachen? Eine Revolte wie in Schwaben oder Bayern, oder gar in den Niederlanden?«
Jakob erkannte plötzlich, dass er selbst es war, der darüber entscheiden konnte, ob Sigismund der Münzreiche weiterhin Landesherr von Tirol bleiben oder ob seine gesamte Herrschaft, wie in der Raubritterburg bei Frankfurt vereinbart, Maximilian zufallen würde.
Überall in Innsbruck kamen in diesen unfreundlichen Vorfrühlingstagen neue, dramatische Gerüchte auf. Sie drangen aus der Residenz des Königs ebenso wie aus den Gemächern des Tiroler Erzherzogs.
Jakob Fugger konnte kaum noch alles notieren, was er in diesen Tagen an abenteuerlich klingenden Behauptungen und verschrobenen Plänen zur Entmachtung Sigismunds hörte. In gewisser Weise verstand ihn Jakob sogar. Der Erzherzog war kinderlos und gönnte all den anderen Habichten nicht die Freude über ein großes Erbe. Nachdem er sich entschlossen hatte, so wenig wie irgend möglich in den irdischen Gefilden zurückzulassen, hatte er mit großem Elan überall kostspielige Lustschlösser und lauschige Liebesnester bauen lassen. Er hatte Feste gegeben und zu Jagden eingeladen, und bei den Ausfahrten mit seinen Kutschen hatte er nicht selten frisch geprägte Münzen unter das Volk geworfen. Obwohl er längst nicht mehr im Saft der Jugend stand, war kein Weiberrock vor ihm sicher. Auf jedem Landtag kam die Sprache auf die Kosten für seine ungezählten Bastarde, die durch die erzherzögliche Rentkammer versorgt werden mussten. Dabei war kaum nachzuprüfen, ob die vielen Sprösslinge tatsächlich von ihm waren. Sigismund erkannte sie oft schon deshalb an, um nachzuweisen, dass er immer noch im Vollbesitz seiner Manneskraft war.
Er wollte angesehen und als Landesherr geachtet und geliebt werden. Schon deshalb gab er ständig mehr aus, als er hatte. Jakob warnte ihn nicht mehr vor denen, die nur die Hand aufhielten, aber nichts zurückgaben. Er selbst hatte sich so viel überschreiben lassen, dass die Schulden Sigismunds bei den Fuggern von der Lilie mehr als ausgeglichen waren.
Die Herzöge von Bayern trieben die Intrige schließlich auf die Spitze. Sie ließen dem Tiroler Landesherrn zutragen, dass der Kaiser ihm nach dem Leben trachte und ihn vergiften wolle, um ihn zu beerben. Dabei rechneten sie Erzherzog Sigismund sehr deutlich vor, wie viel Geld sie ihm in den letzten Jahren immer wieder geliehen hatten. Mit keinem Wort erwähnten sie, dass er ihnen dafür als Sicherheit Herrschaften, Ländereien und Bergwerke als Pfänder überschrieben hatte.
Als der Schnee schmolz, wurde die Lage für den alten Erzherzog immer aussichtloser. Seine Ärzte rieten ihm, die Gemächer nicht mehr zu
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