Jakob der Reiche (German Edition)
Heimkehrer in Europa unser Handelsnetz der Fugger von der Lilie.«
»Wie meinst du das?«, fragte Georg.
»Wir bleiben hier«, erklärte Jakob. »Wir investieren unser Vermögen nicht in die Abenteuer wie andere, sondern stärken König Maximilian, der bald auch Kaiser sein wird, sobald Friedrich III . stirbt. Ich will, dass wir Fugger von der Lilie die Finanziers des deutschen Kaisers werden. Seine Bank, versteht ihr, seine Kreditgeber, seine Lieferanten für Silber und Kupfer und, wenn es sein muss, auch für Salpeter für das Schießpulver seiner Kanonen.«
»Nein, Jakob«, protestierte Ulrich. »Wir haben dir jahrelang nachgesehen, was du in Tirol und Venedig riskiert hast. Du magst es vielleicht Können nennen, aber dein Erfolg war auch zu einem Gutteil Glück und die Schwäche des versoffenen Sigismund. Mit Maximilian kannst du nicht so umgehen wie mit dem abgehalfterten Tiroler Landesherrn.«
Jakob sah die beiden Älteren mit unbewegtem Gesicht an. Er schob seine Zinnplatte etwas zurück und faltete wie beiläufig die Hände.
»Ich behaupte nicht, dass ihr beide im Konkurrenzkampf mit den Gossembrots, den Baumgartnern, Herwarths oder Rehlingern unterliegen würdet. Aber wir brauchen mehr als ordentlich geführte Bücher und die Geschäfte des alten Europa, auf die ihr euch versteht. Die Zeiten ändern sich viel schneller, als ihr ahnt. Die ganze Welt brodelt bereits, und niemand weiß, wohin das alles führen wird.«
»Genau das sage ich doch«, warf Georg Fugger ein.
»Nein, Georg!«, widersprach Jakob. »Du sagst nur, dass nichts geändert werden darf, was sich über zwei oder drei Generationen bewährt hat. Ich aber sage, dass sogar unser reicher Verwandter Lukas Fugger vom Reh untergehen wird, weil er die neuen, größeren Geschäfte nicht beherrscht. Er glaubt, dass er den rechten Weg zu Maximilian gefunden hat. Aber er denkt in viel zu kleinen Bahnen, und er wird furchtbar enden …«
»Und ich weiß, dass Maximilian sich als der letzte Ritter gefällt und doch ärmer ist als einer unserer Faktoren.«
»Das bestreite ich nicht«, antwortete Jakob. »Ich weiß auch, dass sich Maximilian niemals darum scheren wird, ob er nur von einem oder von allen Geld leiht. Ich werde alles daransetzen, damit er von uns mehr bekommt als von allen anderen. Denn damit kaufen wir uns nicht nur das gesamte Reich als Schatzkammer, sondern auch den König, der schon bald ein Kaiser ist.«
Jakob neigte den Kopf, als würde er tatsächlich beten. Für eine lange Zeit waren nur das Rumpeln von Wagen und der Hufschlag von Pferden von der Straße her zu hören.
»Bei der Gelegenheit fordere ich euch auf, auch den Namen der Gesellschaft so zu ändern, dass es nicht mehr ›Ulrich Fugger und seine Gesellschaft‹ heißt, sondern ›Ulrich Fugger und Gebrüder von Augsburg‹.«
»Willst du die alten Regeln einreißen?«, warf Ulrich sofort ein. »Ich bin der Älteste und auch der Prinzipal.«
»Das wirst du auch in Zukunft bleiben«, sagte Jakob leise. »Aber nur als Erster unter Gleichen.«
Irgendwann sägten die kaiserlichen Wundärzte Friedrich III . sein fauliges Bein, das nicht mehr heilen wollte, ganz einfach ab. Für eine Weile behalf er sich mit einem Dreifuß, den er selbst entworfen hatte, unter dem Stumpf. Er starb im selben Jahr, in dem der gerade erst als Alexander VI . zum Papst gewählte spanische Borgia die neu entdeckte Welt jenseits des Atlantiks in eine spanische und eine portugiesische Hälfte teilte – die größere und weitaus interessantere natürlich für das Königreich, aus dem er selbst stammte.
Georg Fugger war längst nach Nürnberg zurückgekehrt, und Ulrich leitete in ernster Strenge das Stammhaus der Fugger von der Lilie am Rindermarkt.
Jakob wohnte noch immer allein im alten Haus am Rohr. Er ließ für alle Handelsplätze, an denen die Gesellschaft eigene Faktoreien unterhielt, Sammelfächer in Regalen an den Wänden einrichten. Nur wenige Gehilfen verstanden die eigenartige Ordnung, nach der Jakob Fugger alles ablegen ließ, was ihm wichtig oder für eine spätere Zeit interessant erschien. Die ersten Nachrichten über einen Bauernaufstand unter den Flaggen des Bundschuhs im Elsass gehörten ebenso dazu wie die Berichte, die er über den Tod von Lorenzo Medici in Florenz erhielt.
An manchen Abenden, wenn er die großen Bücher mit der vierfachen Buchführung vorsichtig zugeschlagen hatte, ließ er sich die Briefe und Berichte bringen, die er als »Zeitungen« bezeichnete.
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