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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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Namens in der Sprache der Dogen und der Medici, der Sforzas und Estes war wie ein kostbares Geschenk für ihn.
    Er reiste erst am Abend zum Palazzo der Cornaros weiter. Das Gesicht des alten Cornaro war noch lederartiger geworden. Er stieß zweimal mit seinem Ebenholzstock auf den Boden und klammerte sich dann an dessen silbernem Löwengriff fest. Sofort huschten Diener herbei und trugen Jakobs Gepäck nach oben. Der Alte ließ sich auf einen kostbaren Stuhl fallen und bot Jakob ebenfalls einen Platz bei den Fenstern an, von dem aus er die Gemälde an der gegenüberliegenden Wand sehen konnte. Andrea Cornaro kümmerte sich schon längst nicht mehr um die Geschäfte seiner Gesellschaft. Damit war jetzt sein Sohn Marco befasst.
    »Du wirst ihn auch in diesen Wochen nicht sehen können«, sagte Andrea Cornaro ziemlich laut. »Er ist nach Lissabon unterwegs und dann weiter zu den Inseln der Canaren.«
    »Heimlich mit Schösslingen des Zuckerrohrs aus Zypern, wenn ich richtig vermute.«
    »Unsere Häuser werden Feinde, wenn du ein Sterbenswort davon verrätst. Natürlich hat die Republik mein Monopol gestohlen! Aber Zucker von den Plantagen gehört mir. Und die Insel Zypern immer noch meiner Tochter Caterina!«
    »Ich hoffe, dass es ihr gut geht«, sagte Jakob höflich. »Und dass sie sich in ihrem Vaterhaus ebenso wohlfühlt wie in den Jahren auf ihrer fernen Insel.«
    »Es geht ihr ganz und gar nicht gut«, knurrte der Alte. »Ich muss sie jeden Tag ermahnen, nicht ihr Franziskanerkleid anzulegen, diese abscheuliche Kutte. Sie ist die Königin von Zypern, maledetto, und keine kleine, braune Nonne!«
    Er stand mühsam auf und stapfte auf den Stock gestützt davon. Noch einmal hob er seine Hand zum Gruß, dann verschwand er mit leisen Flüchen auf den Dogen. Im großen Saal wurde es still. Nur von draußen drang der Lärm vom Canal Grande herein. Jakob stand auf und ging so dicht zur Bilderwand, dass er Caterinas Gemälde deutlich erkennen konnte.
    Ja, ohne Zweifel – es war das schönste Gesicht, das er jemals gesehen hatte. Völlig versunken und mit einem feinen Lächeln starrte er das Gemälde an. Er merkte nicht einmal, wie er tief seufzte.
    »Gefällt es Euch, Fratello Jacopo?«
    Diese Stimme! Ihre Stimme! Er hatte sie noch nie zuvor gehört. Doch jetzt fuhr sie ihm tief ins Herz, raste als heiße Welle durch den ganzen Körper, ließ seine Knie zittern und sträubte die Haare in seinem Nacken.
    Unendlich langsam drehte er sich um. Und dann sah er sie. Sie stand nur drei Schritte von ihm entfernt … vollkommen anders als das Gemälde … fast fünfundzwanzig Jahre älter, ein wenig fülliger und nicht in Kleid und Schmuck einer Himmelskönigin im Rosenhag, sondern im langen braunen Herbstkleid, wie es die Franziskanerinnen trugen. Ihr langes Haar war nicht mehr durch Kräuteressig und Sonnenlicht gebleicht, wie es die Frauen in Venedig liebten, sondern fiel weich und dunkel um ihren schlanken Hals bis auf die Schultern.
    »Ihr könnt Sorella Caterina zu mir sagen. Wir waren doch in unserer Jugend beide in den Klöstern des heiligen Franz von Assisi, oder nicht?«
    Er nickte heftig wie ein Jüngling beim ersten geheimen Treffen mit der Liebsten. Sie standen eine Ewigkeit ohne weitere Worte voreinander. Dennoch erzählten sie sich mit den Augen, wie lange sie sich kannten.
    »Wäre das Kloster unser Platz in dieser Welt gewesen?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht, Bruder Jacopo«, antwortete sie, und ihre Stimme klang sehr beherrscht. »Aber war der heilige Franz nicht ebenso wie du und ich Kind eines reichen Tuchhändlers? Und zog er nicht die Armut dem falschen Glanz des Geldes vor? Ich jedenfalls werde mich bemühen, jenen zu vergeben, die mir alles genommen haben. Gott helfe mir, dass ich nicht eines Tages doch noch daran denke, an Venedig Rache zu nehmen.«
    Vom Nebenraum her vernahmen sie das Geräusch des Stockes von Andrea Cornaro. Sie konnten nicht mehr weiterreden. Dennoch ahnte Jakob, dass er sich noch einmal an die verborgene Drohung der entmachteten Königin von Zypern erinnern würde.
    Er hielt sich viel länger in Venedig auf, als er ursprünglich beabsichtigt hatte. Trotzdem sah er sie nicht wieder. Sie war bereits am Tag darauf nach Asolo zurückgekehrt. Jakob stürzte sich in die Arbeit. Wie ein Schwamm saugte er alles auf, was er von den Händlern und Kauffahrern hörte, die bis in die griechischen Häfen, nach Zypern, zur Levante, weiter nach Indien und sogar bis nach China vorgedrungen waren.

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