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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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gestohlen bleiben, war mein unumstößlicher Entschluss.
     

Donnerstag, den 03.06.:
     
    Als ich mich im Bette räkelte, musste ich schmunzelnd daran denken, wie gestern die Blicke der Rezeptionsdamen beinahe ängstlich zu mir herüber flogen, als ich beidseitig bepackt, mit meinem Schlapphut auf dem Kopf und völlig verschwitzt das Hotel betrat. Wen verwundert es, dass sie nicht wie üblich zuerst meinen Personalausweis sondern sofort meine Checkkarte zu sehen wünschten. Auch die nachfolgenden Gäste allem Anschein nach Handelsreisende oder Kongressteilnehmer wirkten bei meinem Anblick ein wenig verstört.
    Als ich die Formalitäten überstanden hatte und endlich meine Zimmertüre aufschließen konnte, lief mir ein warmer Schauer den Rücken herunter. Schon lange nicht mehr hatte ich eine derart heimelige Atmosphäre verspürt. Das geräumige, luxuriös-modern eingerichtete Zimmer war in warmes, gedämpftes Licht getaucht. Aktuelle Zeitungen lagen bereit. Wieder einmal im Luxus schwelgen! Welch eine Wohltat! Ich freute mich riesig.
    Nach dem Frühstück begab ich mich zum Friseur, um mir die Haare und den Bart schneiden zu lassen. Hernach verdrückte ich ein kräftiges Steak mit einem viertel Liter Rotwein, machte noch meine Lebensmittelbesorgung und kaufte mir eine neue Sonnenbrille. Zurück im Hotel hielt ich von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr Mittagsschlaf, um mich sodann zur Kathedralenbesichtigung aufzumachen. Zuvor verfasste ich jedoch nachfolgenden Brief auf dem Briefpapier des „Hotel De León“, den ich meiner nächsten Paketsendung nach Hause beizufugen beabsichtigte:
     
„ León, den 03.06.2004
Liebe Eltern,
zwar habe ich nach wie vor die Absicht, Santiago de Compostela zu Fuß zu erreichen, ich war gestern jedoch so fix und fertig, dass ich mich entschloss, in diesem Luxushotel zwei Nächte zu verbringen. Ich hoffe, dass mir diese kleine Verschnaufpause wieder zu Kräften verhilft. Bitte lasst die beiliegenden Filme entwickeln, damit ich zuhause sogleich meine Reise, auch wenn sie scheitern sollte, rekapitulieren kann. Ihr wisst ja, dass ich aller Voraussicht nach von allen nicht nur von meinen Geschäftskollegen über den Verlauf und das Erlebte hier in Spanien ausgequetscht werden dürfte. Ansonsten geht es mir gut. Bitte grüßt mir alle meine Lieben in Schwaigern und Berlin.
Gott mit Euch
Uli.
PS.: Den ersten Teil meiner Wanderschilderungen füge ich bei. Bitte geht mir sorgfältig damit um! “
     
    Der Gang zur Kathedrale verzögerte sich allerdings einige Zeit, da ich erneut Durchfall bekommen hatte. Vielleicht waren der ein Liter Multivitaminfruchtsaft, der Drinkjoghurt und die zwei Äpfel, die ich seit meinem Mittagessen zu mir genommen hatte, für meinen geschwächten Körper nicht gerade das Richtige.
    In der Kathedrale setzte ich mich nieder und meine Weitsichtbrille auf, damit ich u.a. die wunderschönen, farbigen Fenster scharf sehen und mich hieran erfreuen konnte. Zum Lesen meines Reiseführers nahm ich sie wieder ab und legte sie neben meine Tasche mit den für heute notwendigen Utensilien z.B. dem Photoapparat. Da die Buntglasfenster farblich äußerst dunkel gehalten waren, konnte von einer lichtdurchfluteten Kathedrale entgegen den Ausführungen meines Reiseführers nicht die Rede sein. Als ich weiter las, dass das Pantheon der Könige und das Museum von San Isidoro in ca. einer Dreiviertelstunde schließen würde, machte ich mich sogleich dorthin auf.
    An der Kasse erwarb ich einen deutschsprachigen Kunstführer über die königliche Stiftskirche San Isidoro sowie eine Eintrittskarte. Um die faszinierenden, fast vollständig erhaltenen Deckenfresken aus dem 12.Jahrhundert im Königspantheon genauer in Augenschein nehmen zu können, grustelte ich aus meiner Leinentasche mein Brillenetui hervor, öffnete es und erschrak zutiefst. Es war leer. Ich hatte meine Brille in der Kathedrale liegen gelassen. Als ich das Pantheon verlassen wollte, war die schmale Zugangstüre, zu der eine kleine Wendeltreppe vom Eingangsbereich hinauf führte, verschlossen. Ich musste also warten, bis das Museumspersonal diese zum Ein- und Auslass für kurze Zeit wieder öffnete.
    Draußen wieder angelangt lief ich so schnell ich konnte zurück zur Kathedrale. Ich hatte eine Wut im Bauch über mich, den Jakobsweg, einfach über Alles. Der Schreck über den Verlust meiner Brille hatte schlagartig wieder meine Lebensgeister geweckt und meine Konzentration geschärft. Meine seither bei jedem Schritt stechenden

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