Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Gläsle Bierle und der Abfassung meines gestrigen Tagesberichtes andauerte, einnahm, spielte ich mit dem Gedanken, meine Wanderstiefel an meinen Rucksack zu hängen und statt derer meine Trekkingsandaletten anzuziehen. Dieses hätte allerdings zur Folge gehabt, dass ich heute nicht erfahren würde, inwieweit mein Schuhwerk sich meinen Füßen nun anpassen werde. Ich verwarf den Gedanken und war nicht gewillt, dieses auszuprobieren. Sandaletten bergen nun einmal die Gefahr in sich, bei unebenem Wege leicht umknacksen zu können. Sollte ich auch heute Abend nochmals dieselben Probleme wie gestern haben, werde ich mir im nächsten Schuhladen Sportschuhe kaufen und meine Wanderstiefel wegwerfen. Meine Pilgerschaft durfte nicht durch unpassendes Schuhwerk gefährdet werden.
Nachdem ich mich im hiesigen Supermarkt mit Lebensmittel und dem wieder einmal in der Unterkunft vergessenen Duschmittel eingedeckt hatte, stellte ich mich der heutigen Herausforderung. Auf meinen Ballen, beim Auftritt den Fersenbereich vermeidend, humpelte ich zum Ortsende und ließ mich im Schatten eines baufälligen, alten Gebäudes nieder, um Mittagsmahl zu halten. Es gab Brot, Schinken und Käse und dazu kurz zuvor gezapftes Leitungswasser. Nicht nur um meine geschundenen Füße ein wenig zu schonen sondern auch um meiner langsam sich bemerkbar machenden, physischen und psychischen Ermattung entgegen zu wirken, übernachtete ich im 13,5 km entfernten Nachbarort Reliegos.
Dienstag, den 01.06.:
Nach einer kastilischen Meile, die etwa 5,5 km entspricht, vor den Toren der Ortschaft Mansilla de las Mulas endete der seit Calzada del Coto als Platanen-Chaussee zu bezeichnende Abschnitt des Jakobsweges. Seine spärlichen, kaum Schatten spendenden Bäumchen in diesem fast baumlosen Landstrich wurden aus Löchern eines Plastikwasserschlauches entlang des Weges künstlich bewässert.
Viele schienen dennoch eingegangen zu sein bzw. dürften demnächst noch eingehen.
In Mansilla de las Mulas hielt ich auf einem netten Platze, auf dem ein kleiner Obst- und Gemüsemarkt abgehalten wurde, Mittagsrast. Als ich mittags an der örtlichen Pilgerherberge vorbei lief, warteten schon Unzählige auf Einlass. Sie hatten sicherlich, wie ich seither schon öfters beobachten und erfahren konnte, ihre Tagesetappe am Vormittag an einem Stück zurückgelegt und wollen nun den Nachmittag zur Erholung, zum Waschen der Kleider, zum Sightseeing u.s.w. nutzen. Ich hingegen musste weiterziehen, obgleich meine Füße zwar nicht mehr so stark jedoch nach wie vor merklich schmerzten. Ich fühlte mich völlig schlapp, vielleicht auch deshalb, weil ich gestern sehr schlecht geschlafen hatte. Über die 200 m lange mittelalterliche Brücke über den Fluss Esla führte der Weg aus dem Orte hinaus in die weiterhin monotone Landschaft.
Am Flussufer schaute ich im Schatten der Uferbäume lange Zeit zwei Fliegenfischern zu, die bis zum Schritt im Wasser standen und unentwegt ihre Angelhaken kurz über der Wasseroberfläche hin und her schwangen. Die Zeit verging wie im Fluge. Gefangen hatten sie nichts. An meinem Beobachtungsplatz erblickte ich einen hübschen Strauch gelber Blumen, von dem ich gleich ein Photo schießen musste.
Obgleich mir bewusst war, dass ich heute mein Etappenziel León nicht mehr erreichen werde, wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass mein untrainierter, auf diese Strapazen unvorbereiteter Körper für heute bereits erschöpft war. Ich scheute selbst den Umweg zum Zisterzienserkloster Santa Maria de Sandoval nicht, das etwa 1 km neben dem Jakobsweg liegen sollte, wie ich mich zu erinnern meinte.
Als ich mich bereits 1 km vom Jakobsweg entfernt hatte und in der Ortschaft Mansilla Mayor angelangt war, sagte mir ein Passant, dass das Kloster noch etwa 1 km weiter entfernt liege. Das war für mich nun wirklich zu viel des Guten. Ich setzte mich in eine kleine Gartenwirtschaft und überlegte, was nun zu tun sei. Mein Sinn stand mir nach Schlafen. Ich konnte mich dem Eindruck nicht erwehren, dass ich langsam anfing, mit meinem Körper Raubbau zu betreiben. Die ca. 3 km zur Herberge nach Mansilla de las Mulas zurück wollte ich keinesfalls. So blieb mir nur noch eines, mich hier ausgiebig auszuruhen und meinen Weg nach León auch in der Gewissheit fortzusetzen, dass ich heute erneut im Freien schlafen müsse.
Erstmals auf meiner Pilgerreise musste ich daran denken, dass mir für die noch bevorstehenden, etwas weniger als 400 km bis Compostela, für das Kap
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