Jamaica Lane - Heimliche Liebe
Blick zu. Ich dachte schon, er würde seinen Sohn wegen seiner Unhöflichkeit zurechtweisen, doch stattdessen wurde seine Miene plötzlich weicher, und er griff nach seinem Bier. Damit schien die Sache erledigt, bis er einen Schluck trank und dann murmelte: »Ich bin doch nicht blind.«
Peinlich!
Nate sorgte dafür, dass wir so schnell wie möglich aufbrachen.
Als ich seine Eltern zum Abschied umarmte, wünschte ich mir, ich könnte noch bei ihnen bleiben und Nate würde alleine zum Haus zurückfahren. Er hatte eine so nette und herzensgute Familie – und er war sich dessen auch bewusst, was mein Unverständnis nur noch vergrößerte. Er hatte zwei Eltern, die sich und ihren Sohn liebten – er hatte unmittelbar vor Augen, wie es sein konnte … Warum wollte er eine solche Zukunft nicht auch für sich? Alana verfolgte ihn. Sie hinderte ihn daran, sein Leben in die Hand zu nehmen, aber nur weil er es zuließ. Sie war für ihn wie ein Schutzschild gegen …
Nun ja …
Mich.
Wir fuhren los. Ich wandte den Kopf ab und sah hartnäckig in die andere Richtung, die Wange an das kühle Glas des Beifahrerfensters gelehnt. Mein Blick ging hinauf zu den Sternen, die den dunklen Himmel sprenkelten, und ich gab mir Mühe, ruhig zu atmen, damit Nate nicht merkte, wie aufgewühlt ich war. Wir hatten noch nie Streit gehabt. Jedenfalls keinen ernstzunehmenden.
Zu meinem Erstaunen fuhren wir nicht direkt zum Haus zurück, sondern immer weiter, durch mir unbekannte Straßen, bis wir schließlich auf einen leeren Parkplatz einbogen, der von hohem gelben Dünengras umgeben war. Jenseits der Dünen hörte ich die Wellen an den Strand rauschen.
Als wir hielten, drehte ich mich widerwillig zu Nate um. »Was soll das?«
Er seufzte müde. »Heute Vormittag hast du gesagt, du möchtest gerne an den Strand.«
»Aber ist jetzt nicht Flut?«
»Um diese Zeit ist Ebbe.« Er stieg aus dem Wagen, ohne eine Erwiderung abzuwarten.
Ich stieg ebenfalls aus und fröstelte in der kalten Seeluft. Ich sah Nate hinterher, der auf die Dünen zustapfte, machte jedoch keine Anstalten, ihm zu folgen. Seine vornübergebeugten Schultern weckten mein Mitgefühl, und als er sich umdrehte, spiegelte sich das Mondlicht in seinen Augen. Er wirkte so niedergeschlagen. Ich konnte nicht ertragen, wenn es ihm schlechtging. Ganz egal, wie wütend ich auf ihn war.
»Nate. Was ist denn mit dir?«
Er holte tief Luft, schüttelte den Kopf und vergrub die Hände in den Taschen seiner Jeans. Sein Blick ging in die Ferne.
»Nate?«
Mein Herz klopfte heftig.
»Ich habe das Gefühl, er ist enttäuscht von mir.«
Ich sah ihn verständnislos an. »Wer?«
Er zögerte. »Dad.«
»Wieso denn?«
»Er ist kein Mann, der mit anderen spielt, Liv. Er ist immer anständig. Ehrlich. Er weiß, wie ich mit Frauen umspringe, und er findet es schrecklich.«
»Wie du mit Frauen umspringst ? Nate, du bist doch nicht widerlich zu Frauen. Du hast einfach nur einen hohen Verschleiß. Und du …« Ich knetete hinter dem Rücken meine Finger, um mich von meinem inneren Schmerz abzulenken. »Du machst nie irgendwelche Versprechungen.«
»Ach, hör doch auf«, flüsterte er mit versagender Stimme. »Ich habe zig Frauen weh getan, weil es mir scheißegal war, wie es ihnen ging, nachdem ich sie gevögelt hatte. Tun wir nicht so, als wäre ich jemand, der ich nicht bin.«
Ich spürte Hitze in mir aufsteigen. »Wenn dir nicht gefällt, was du machst, dann hör doch auf. Dein Vater ist nicht enttäuscht von dir, Nate. Er liebt dich, und er ist stolz auf dich. Das sieht jeder, der auch nur ein bisschen Zeit mit euch beiden verbringt. Er will einfach, dass du nach vorne schaust, und weißt du was?« Ich hob frustriert die Hände. »Vielleicht hat er recht. Vielleicht ist es langsam an der Zeit, dass du Alana hinter dir lässt. Such dir eine nette Frau. Bau dir eine Zukunft auf.«
Das hätte ich lieber nicht sagen sollen.
Nate verzog spöttisch den Mund und sah mich voller Verachtung an. »Und dann was? Ich suche mir eine nette Frau, und du kannst endlich den ahnungslosen Benjamin ficken – deinen Typen aus der Bibliothek?«
Diese gehässige Seite an ihm gefiel mir ganz und gar nicht. Ich funkelte ihn an und lehnte mich mit verschränkten Armen gegen die Motorhaube. »Ich würde sagen, ich bin so weit. Du hast mich gut vorbereitet. Ich habe jetzt einiges drauf, meinst du nicht? Er wird bestimmt auf seine Kosten kommen.«
Ich sah gerade noch das Wutblitzen in seinen Augen, dann
Weitere Kostenlose Bücher