Jamaica Lane - Heimliche Liebe
gleich wieder da«, entschuldigte ich mich und machte mich auf den Weg zu den Toiletten. Ich versuchte, mich möglichst unauffällig zu verhalten, während ich beobachtete, wie der junge Mann vor Erstaunen die Augen aufriss, als Hannah auf ihn zumarschierte.
Ich beeilte mich. Als ich aus der Toilette trat, stand ich zufällig direkt hinter Hannah und Marco im Schatten einer künstlichen Palme. Unschlüssig spähte ich zu unserem Tisch hinüber. Ich wusste, eigentlich hätte ich zurückgehen sollen, damit sie ungestört miteinander reden konnten. Andererseits mochte ich Hannah schrecklich gern, und falls der Idiot gemein wurde, wollte ich zur Stelle sein, um ihm seinen kleinen dreisten Arsch zu versohlen.
»Ich hab doch gesagt, dass ich viel zu tun hab«, sagte er gerade mit einem Achselzucken. Sein amerikanischer Akzent irritierte mich im ersten Moment, bis mir wieder einfiel, dass er ja aus Chicago kam.
Hannah blieb argwöhnisch. Ihr entzückendes spitzes Kinn war trotzig vorgereckt. »Du gehst mir also nicht aus dem Weg?«
Marco kratzte sich an der Wange und zog leicht die Oberlippe hoch. »Nein. Warum sollte ich?« Sein Blick ging über ihre Schulter hinweg. »Wie’s aussieht, hast du ja sowieso genug Gesellschaft. Schon wieder ein Neuer?« Die Art, wie er das sagte, hatte etwas Besitzergreifendes.
Hannah sah ihn eine Weile einfach nur an. Ihre Ruhe imponierte mir. Sie war tausendmal cooler als ich – erst recht, wenn ich in ihrem Alter einem Jungen wie Marco gegenübergestanden hätte. Er war deutlich über eins achtzig groß, hatte einen athletischen Körperbau, und die Mischung aus afroamerikanischen und italienischen Wurzeln kam in seiner karamellfarbenen Haut, den hohen Wangenknochen, dem kantigen Kiefer und den geschwungenen Lippen aufs Vollendete zur Geltung. Seine blaugrünen Augen bildeten einen aparten Kontrast zu den schwarzen Wimpern und seinem dunklen Teint. Der äußere Eindruck wurde durch seine ruhige, aber eindringliche Art noch unterstrichen. Wahrscheinlich war er der grüblerische Typ.
»Das ist Cole«, antwortete Hannah schließlich. Sie legte den Kopf schief und lächelte fragend und zugleich amüsiert, um ihm zu signalisieren, dass sie seine Frage für ein Zeichen von Eifersucht hielt. »Er ist ein Freund der Familie. Wieso? Hast du was dagegen, wenn ich ein Date hab?«
Marco zog die Brauen zusammen. »Nein, Hannah, hab ich nicht. Du kannst machen, was du willst.«
Ich zollte ihr Respekt dafür, wie gut sie ihre Enttäuschung verbarg. »Na ja, eigentlich würde ich gerne mal wieder was mit meinem guten Freund unternehmen, aber an den kommt man in letzter Zeit so schwer ran.«
Jetzt war er derjenige, der sie schweigend anstarrte. Ich sah den Moment, in dem er unter dem Blick ihrer großen braunen Augen schwach wurde. Er schüttelte den Kopf, als könne er selbst nicht glauben, dass er einknickte. »Dienstagabend hab ich frei. Dann könnten wir was zusammen machen.«
»Prima. Du …«
»Es ist unhöflich, andere zu belauschen, hat man dir das nicht beigebracht?«, ertönte eine vertraute Stimme hinter mir.
Überrascht – ich konnte nicht sagen, ob positiv oder negativ – wirbelte ich herum. Vermutlich war mein Gesichtsausdruck ziemlich belämmert, als ich zu Benjamin hochschaute. »Benjamin«, japste ich, während mein Herz nur sehr langsam meinen Hals hinunter zurück an seinen Platz in meiner Brust rutschte.
Seine unvergleichlichen Augen blitzten, als freue er sich, dass ich mich an seinen Namen erinnern konnte. »Auch mal wieder hier«, sagte er grinsend und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
»Ja, hi.« Ich warf rasch einen Blick zu Hannah hinüber. Sie war mittlerweile auf dem Weg zurück an unseren Tisch und sah sich stirnrunzelnd um, weil Marco von einem großen, gutaussehenden älteren Italiener mit leiser Stimme gerügt wurde. »Also …« Ich wandte mich wieder Benjamin zu. »Ich kenne sie.« Ich deutete auf Hannah. »Hannah. Ich wollte nur sichergehen, dass alles in Ordnung ist.« Ich zuckte verlegen mit den Schultern. »Und vielleicht habe ich ein ganz kleines bisschen gelauscht.«
Zu meiner Erleichterung lachte er, und auf einmal wurde mir klar, dass ich mit ihm geredet hatte, ohne zu stottern oder mich zu verhaspeln. Ich musste lächeln, und das Lächeln lenkte Benjamins Aufmerksamkeit auf meinen Mund.
Ich schluckte, als ich das anerkennende Funkeln in seinen Augen bemerkte, und meinte trocken: »Du gehst wohl gern ins D’Alessandro .«
»Mein
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