James Bomb 4 - James Bomb jagt Queen Kong
seiner Tätigkeit aus einer wie auch immer gearteten geistigen Motivation heraus obliegt, in einen Topf geworfen.“
Prof. Benares machte eine Pause. Die drei Engländer hingen gebannt an seinen Lippen.
„Als Wissenschaftler, der sich seit Jahren mit dieser Materie befaßt“, fuhr der Ethnologe fort, „sehe ich diesen - fast möchte ich sagen amateurhaften - Gelegenheitskannibalismus nicht auf einer Stufe mit den anderen soziologischen und kulturell wirklich bedeutsamen Formen der Anthropophagie wie zum Beispiel dem religiösen, magischen oder rituellen Menschenverzehr. Eine der vielen Arten von religiösem Kannibalismus auf den Fidschiinseln bestand darin, daß man vor den Küsten in Seenot geratene - und zwar nicht nur fremdrassige, sondern auch von Nachbarinseln stammende - Artgenossen zunächst hilfreich an Land zog, sie dann aber schlachtete und vertilgte.
Wieso, werden Sie fragen, ist das religiöser Kannibalismus? Nun, die Fidschiinsulaner sahen in den Schiffbrüchigen von Gott im Stich gelassene und bestrafte Menschen; es war in ihren Augen heilige Pflicht und gottgefälliges Werk, diese Gottlosen zu vernichten. Gab es da eine gewissenhaftere Methode, als sie den eigenen Verdauungssäften auszusetzen?
Beim magischen Kannibalismus sah man Kräfte und Fertigkeiten eines Menschen an ganz bestimmte Körperteile gebunden. Das Herz eines Kriegers zum Beispiel wurde verspeist, damit der Mut desselben auf seinen Verzehrer überging, ebenso war es mit anderen Körperteilen: Das einverleibte Gehirn verhieß Intelligenz, die abgenagten Füße versprachen Schnelligkeit. Das galt natürlich besonders für den Intimbereich. Betagte Häuptlinge und alte Weiber erhofften sich durch den Verzehr jugendlicher Genitalien neue geschlechtliche Stärke und Lust. So gebührten siegreichen Königen und Häuptlingen die Schamteile der Besiegten. Sie waren als lebensspendende Organe den Göttern geweiht, sie mit bloßen Händen zu berühren war tabu. Sie wurden daher nur mit den mehrzinkigen Kannibalengabeln, die Sie vorhin sehen konnten, zum Munde geführt.
Der rituelle Kannibalismus gehört ebenfalls in diese Kategorie. Die Geburt eines Stammhalters, die Inthronisation eines Häuptlings, die Einweihung eines Hauses oder der Stapellauf eines Kanus, das alles war Grund, die Götter mit einem Menschenopfer gnädig zu stimmen und es anschließend in gemütlicher Runde genüßlich zu verspeisen.
Auch der Tod eines Menschen schließlich war oft Anlaß zu einem Leichenschmaus im wahrsten Sinne des Wortes.
Delikate ,Funeral’ -Party-Häppchen erfreuten sich größter Beliebtheit.
Sie sehen schon an diesen wenigen Beispielen, wie sehr die Anthropophagie in das politische, wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Leben auf diesen Inseln integriert war. Der Kannibalismus war allgegenwärtiger Begleiter im Dasein eines Fidschianers.
Selbstverständlich gab es nicht nur die bisher aufgeführten Formen des Kannibalismus, sondern noch viele andere.
Nicht unerwähnt bleiben soll hier der gerichtliche Kannibalismus, der sich in einen sühnenden, wiedergutmachenden und vorbeugenden aufteilt.
Dagegen ist resozialisierender Kannibalismus nirgendwo erwähnt - er wäre ein Widerspruch in sich.
Ferner gab es einen vielverwendeten und beliebten Scheidungskannibalismus, der jegliches Unterhaltsproblem von vornherein ausschloß.
Schließlich wäre da noch - last but not least - der umweltfreundliche Funeralkannibalismus - nicht zu verwechseln mit dem vorher geschilderten Leichenschmaus, der durch den Verzehr einer fremden Person ja nur kulinarisch angereichert wird. Beim eigentlichen Funeralkannibalismus wird die Hauptperson, der Verblichene selbst, vereinnahmt, und zwar durch seine trauernden Anverwandten.“
„Wie bitte?“ fragte Bomb ungläubig.
„Die Verstorbenen selbst wollten es so“, erklärte Prof. Benares, „es war der sehnlichste Wunsch der Alten, die letzte Ruhe im Magen eines lieben Angehörigen zu finden.
Das mag uns unbegreiflich erscheinen, aber wir brauchen uns nur die Frage zu stellen, ob die liebevolle Aufnahme in die Geborgenheit und Wärme eines Freundesleibes nicht unvergleichlich schöner ist als der unpersönliche Zerfall in kalter Erde. Steckt nicht in jedem von uns insgeheim die
Sehnsucht, daß der Mensch, der aus einem Leib gekommen ist, wieder in einen Leib eingehen sollte? Dann erst ist der Kreis des Lebens wieder geschlossen.
Nein“, sagte Prof. Benares, „Nekrophagie ist keine anthropophage
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