James Bomb jagt das geklonte Monster
Herren. Sie trugen zu weite Hosen, ausgelatschte Sandalen und altmodische Jacken mit eckigen Schultern, zu langen Ärmeln und herausgelegten Hemdkragen. Sie taten, als läsen sie in der ,Prawda‘ .
Der KGB hätte dringend mal einen Modeberater nötig, dachte Bomb, so jemanden wie Yves St. Laurent oder Pierre Cardin. Überall auf der ganzen Weit liefen die armen russischen Geheimdienstler in ihrem nostalgischen Nikita-Look herum und bemühten sich rührend, nicht aufzufallen. Aber so lang sie in dieser Proletenkluft und statt ,Daily Mirror‘ oder ,Penthouse’ immer nur die Remittenden der ,Prawda‘ oder des ,Neuen Deutschland’ als Requisite genehmigt bekamen, sprach sie jede halb-blinde alte Oma im Westen mit den Worten an: „Die gütige Mutter von Kasan beschütze dich, Söhnchen!“ und zeichnete segnend das Kreuz an ihre Schädel.
Tja, die Kollegen von drüben hatten es auch nicht leicht.
Bomb fühlte sich im Augenblick aber auch alles andere als wohl in seiner Haut.
Herausgeputzt wie ein Hochzeiter mit seinem feinen Anzug und dem Blumenstrauß kam er sich vor wie bestellt und nicht abgeholt. Hoffentlich trieb sich nicht auch 007 in dieser Gegend herum. Er würde sich halbtot lachen über Bomb als Rosenkavalier.
Was für eine lächerliche Farce war doch manchmal der Krieg zwischen den Geheimdiensten.
Hier der Engländer mit roten Rosen, dort die KGB-Bullen mit der ,Prawda‘ , jeder tat, als bemerke er den anderen nicht, und spielte brav sein Kasperletheater weiter.
Bomb konnte nicht anders, plötzlich streckte er den beiden die Zunge heraus.
Die Russen zuckten zusammen, versteckten die Köpfe hinter der Zeitung und blieben fünfzehn Sekunden lang in Deckung. Dann tauchten ihre Gesichter langsam wieder auf und blickten gleichgültig durch Bomb hindurch; sie taten, als wäre das Ungeheure nie geschehen.
Bomb streckte ihnen abermals die Zunge heraus.
Die Russen wußten nicht, wie ihnen geschah. Das war gegen jede Regel. In ihrer ganzen Ausbildungsordnung war keine Gegenmaßnahme gegen ein solches Verhalten vorgesehen, sie fühlten, daß sie und mit ihnen der gesamte Berufsstand Gefahr liefen, die Selbstachtung zu verlieren. So etwas gab es einfach nicht, konnte es nicht geben - durfte es nicht geben!
Da streckte ihnen Bomb zum drittenmal die Zunge heraus.
Die Köpfe der Russen fuhren ungläubig zurück. Sie sahen sich verzweifelt an. Dann nickten sie sich Einverständnis zu und streckten ebenfalls die Zungen heraus.
„Na also“, brummte der Agent, „haben wir uns wenigstens bekannt gemacht!“
Bomb hörte leichte Schritte hinter seinem Rücken. Er drehte sich um und sah Ludmilla Saccharinowa auf dem Parkweg herannahen.
Ihr ebenmäßiges rassiges Gesicht leuchtete Bomb entgegen, der frische Wind preßte das Kleid gegen ihren Körper, so daß die hohen schlanken Beine, der flache Bauch und die hochangesetzten Brüste voll zur Geltung kamen. Erregung überfiel den Agenten, als er sich über die weiße schmale Hand der schönen Russin beugte.
„Endlich, Ludmilla Saccharinowa, endlich“, murmelte er und reichte ihr die Blumen.
Sie versenkte ihr Gesicht in die Blüten.
„Die Rosen sind wunderschön. Solchen Blumen kann keine Frau widerstehen. Sie spielen Ihre Rolle perfekt, Mr. Bomb“, sagte sie mit ihrem slawischen Akzent.
Bomb verspürte fast schmerzhaft den starken Reiz, der von dieser Frau ausging.
„Sie sollten nicht so sicher sein, Ludmilla Saccharinowa, daß ich meine Rolle nur spiele.“
Sie sah ihn lange Sekunden mit unergründlichem Blick an, dann entzog sie ihm ihre Hand.
„Wir müssen vernünftig sein, Mr. Bomb!“
Sie blickte zu den KGB-Leuten hinüber.
„Ich sehe, wir haben Gesellschaft?!“ sagte sie ärgerlich.
„Ja leider“, sagte Bomb, „aber ich hab’ mich inzwischen schon ein bißchen angefreundet. Ich glaube, sie sind ganz friedfertig.“
Er hakte Ludmilla Saccharinowa unter, und sie schlenderten langsam in den Park hinein.
„Was wollen Sie wissen von mir, James?“ fragte die schöne Russin weich, nachdem sie eine Weile schweigend die Intimität ihrer Berührung genossen hatten.
„Sie sind hoffentlich nicht in Schwierigkeiten geraten durch meinen Brief?“ fragte Bomb.
„Nein“, erwiderte Ludmilla Saccharinowa. „Es verlief alles wie erwartet. Ich zeigte den Brief zuerst Frankostonsky und dann dem KGB. Frankostonsky ist natürlich äußerst eifersüchtig, aber er muß auf Geheiß von Dimitroff seine privaten Gefühle
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