James Bond 03 - Moonraker (German Edition)
und führen eine Befragung des gesamten Personals durch? Immerhin ist diese Sache zu wichtig, um etwas zu riskieren.«
»Das Kabinett hat sich schon früh heute Morgen versammelt«, erklärte M, »und der Premierminister hat die offensichtliche Frage gestellt: Gibt es Beweise für einen Versuch oder auch nur die Absicht, das Moonraker-Projekt zu sabotieren? Die Antwort lautete Nein. Es gab lediglich Befürchtungen, die in den vergangenen vierundzwanzig Stunden aufgekommen waren und sich auf Tallons vage Botschaft und den Doppelmord zurückführen ließen. Alle waren sich einig, dass sich diese beiden Vorfälle ohne den geringsten Beweis, der bisher nicht aufgetaucht ist, auf die unglaublich angespannte und nervöse Atmosphäre in der Anlage zurückführen ließen. So wie die allgemeine Lage momentan aussieht, wurde beschlossen, dass das Moonraker-Projekt so schnell wie möglich Erfolge erzielen muss, um uns eine unabhängige Position in der Welt zu sichern.« M zuckte mit den Schultern. »Das wäre für uns und vermutlich auch für die Welt das Beste. Und man hat sich darauf geeinigt, dass es tausend Gründe gibt, warum der Moonraker abgefeuert werden sollte. Da hat der eine, der dagegen spricht, keine Chance. Der Versorgungsminister musste einwilligen, doch er weiß so gut wie Sie und ich, dass es ungeachtet der Tatsachen ein kolossaler Sieg für die Russen wäre, den Moonraker am Abend vor dem Testabschuss zu sabotieren. Wenn sie es gut genug machen, könnten sie damit das ganze Projekt auf Eis legen. An dem Ding arbeiten fünfzig Deutsche. Jeder von ihnen könnte Verwandte haben, die immer noch in Russland festgehalten und als Druckmittel gegen sie benutzt werden.« M hielt inne. Er sah zur Decke. Dann senkte er den Blick und richtete ihn nachdenklich auf Bond.
»Der Minister bat mich, ihn nach der Kabinettssitzung zu treffen. Er meinte, er wolle zumindest Tallon sofort ersetzen. Der neue Mann muss fließend Deutsch sprechen, ein Experte für Sabotage sein und jede Menge Erfahrung mit unseren russischen Freunden haben. Der MI5 hat drei Kandidaten ausgewählt. Sie befinden sich momentan alle auf Missionen, aber sie könnten innerhalb weniger Stunden abgezogen werden. Doch dann fragte mich der Minister nach meiner Meinung. Ich gab sie ihm. Er sprach mit dem Premierminister, und jede Menge Behördenkram wurde sehr schnell erledigt.«
Bond starrte misstrauisch in die grauen, kompromisslosen Augen.
»Also«, sagte M tonlos, »wurde Sir Hugo Drax über Ihren Auftrag informiert und erwartet Sie heute pünktlich zum Abendessen in seinem Hauptquartier.«
10
DER AGENT DER SPEZIALABTEILUNG
Um achtzehn Uhr an diesem Dienstagabend Ende Mai peitschte Bond den großen Bentley über die Straße nach Dover und den geraden Streckenabschnitt entlang, der nach Maidstone führte.
Obwohl er schnell und konzentriert fuhr, grübelte ein Teil seines Verstands immer noch darüber nach, was geschehen war, seit er Ms Hauptquartier vor viereinhalb Stunden verlassen hatte.
Nachdem er seiner Sekretärin eine kurze Zusammenfassung des Falls gegeben und allein an einem Tisch in der Kantine ein schnelles Mittagessen hinuntergeschlungen hatte, hatte er der Werkstatt mitgeteilt, dass sie sich um Himmels willen mit seinem Wagen beeilen und ihn bis spätestens sechzehn Uhr vollgetankt vor seine Wohnung bringen sollten. Dann hatte er ein Taxi zu Scotland Yard genommen, wo er um vierzehn Uhr fünfundvierzig einen Termin mit dem stellvertretenden Commissioner Vallance haben sollte.
Die Innenhöfe und Sackgassen von Scotland Yard hatten ihn wie immer an ein Gefängnis ohne Dach erinnert. Das Neonlicht an der Decke des kalten Korridors verbannte jegliche Farbe aus den Wangen des Polizeisergeants, der ihn nach seinem Anliegen fragte und beobachtete, wie er das apfelgrüne Formular unterzeichnete. Das Gleiche machte es mit dem Gesicht des Constables, der ihn die kurze Treppe hinauf und durch den tristen Flur mit den anonymen Türen in den Warteraum führte.
Eine stille Frau mittleren Alters mit den gleichgültigen Augen einer Person, die alles gesehen hatte, kam herein und teilte ihm mit, dass der stellvertretende Commissioner in fünf Minuten Zeit für ihn hätte. Bond war ans Fenster getreten und hatte in den grauen Innenhof hinuntergeschaut. Ein Constable, der ohne seinen Helm ganz nackt aussah, war aus einem Gebäude gekommen und über den Hof gegangen. Er hatte auf einem belegten Brötchen mit etwas Rosafarbenem zwischen den Hälften
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